„Für Morgen_standort_12“ – Performance von Finja Sander

Proviantmagazin

Sonntag 3.12.2023 13:00 Uhr - 14:00 Uhr

Mit ihrer Performance „Für Morgen“ findet Finja Sander eine neue Form kollektiven Erinnerns: Vergleichbar eines Reenactments übersetzt sie Ernst Barlachs Mahnmal „Der Schwebende“ in ihre eigene Körperlichkeit und befragt dabei sowohl Erinnerungskultur als auch Denkmalgeschichte.

Für die Dauer von einer Stunde hängt die Künstlerin in einem raumgreifenden Metallgestell über dem Boden. Gehalten wird sie durch drei Gurte, die auf die originale Konstruktion des „Schwebenden“ verweisen. So inszeniert sich Finja Sander selbst als Skulptur und eindrückliche Erweiterung des Ehrenmals von Barlach, das an die Toten des Ersten und Zweiten Weltkriegs erinnert – und aktualisiert seine Botschaft in kontemplativer Stille und Unbewegtheit als atmender, lebender Körper.

Indem die Künstlerin ihre Performance „Für Morgen“ an 12 unterschiedlichen Orten aufführt und re-inszeniert, transformiert sie Erinnerungskultur aus gleichsam in Stein gemeißelter Mahnung in einen neuen, fluiden Begriff von Denkmal. Die ausgewählten Locations orientieren sich u.a. an biografischen Stationen Ernst Barlachs, etwa dessen Heimatstadt Güstrow, oder an historischen Orten wie dem Olympiastadion Berlin als Schauplatz nationalsozialistischer Aufmärsche.

Mit der Ausstellung Enthüllt auf dem Areal der Spandauer Zitadelle findet Sander schließlich den letzten Ort für ihre performative Reihe „Für Morgen_standort_1-12“. Die Denkmäler in der Ausstellungshalle verkörpern die jeweiligen Staatsmächte und politischen Machtverhältnisse eines ganzen Jahrhunderts. In ihrer ungewöhnlich nahbaren Präsentation ergeben sich interessante Parallelen zu dem künstlerischen Ansatz von Sander, die sich mit ihrer Performance fast wehrhaft und mahnend entgegen der idealisierten und heroischen Figuren positioniert.

Am Sonntag wird die letzte Performance dieser Reihe gezeigt werden.

 

Finja Sander (*1996 in Hildesheim) schloss 2022 ihr Studium der Bildenden Kunst an der Universität der Künste Berlin mit dem Meisterschülertitel ab. In ihren meist performativen Arbeiten sucht Sander nach Brüchen und Ambivalenzen im Alltäglichen, nach unbewussten Automatismen, sich wiederholenden, gesellschaftlichen Mustern, die sie isoliert und innerhalb mehrteiliger, multimedialer Prozesse in neue Zusammenhänge bringt. Ihr eigener Körper ist dabei impulsgebender Initiator, eine Art Seismograf. Ihre Performances wurden unter anderem im Wallraf-Richartz-Museum, Köln, in den  Barlach Museen, Güstrow (2023), auf der Skulpturen Triennale in Bingen (2023), im Museum für Fotografie, Berlin (2021), sowie im Hamburger Bahnhof, Berlin (2021) gezeigt. Sie ist die diesjährige Preisträgerin des UdK Berlin Art Award.

 

© FINJA SANDER Für Morgen_standort_05, Universität der Künste, Berlin | photo: Mateo Contreras Gallego