um 1922 | Kolk, Spandau
Foto: H. Leske | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Albert Ludewig an seinem Schreibtisch in der Klempnerei
Albert Ludewig (III.) wurde 1902 als Sohn des Klempnermeisters Albert Ludewig (II.) in Spandau geboren. Nach seiner Schulzeit trat er – pflichtbewusst – in die Fußstapfen seines Vaters. Er begann eine Klempnerausbildung in Schöneberg und lernte technisches Zeichnen an einer Handwerkerschule in Berlin-Kreuzberg. Mit seinem Gesellenstück, einer in Messing getriebenen Schale, beendete er seine Lehrzeit und trat in die von seinem Großvater Albert Ludewig (I.) 1860 gegründete Klempnerei ein.
um 1928 | Kolk, Spandau
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Albert Ludewig beim Malen
Albert Ludewig (III.) interessierte sich jedoch kaum für die Klempnerei. Vielmehr begeisterte er sich schon als Kind für die Bauforschung und Heimatkunde. Dafür nahm er auch Unterricht im Freihandzeichnen in Kreuzberg und an der Malschule von Wilhelm Müller-Schönefeld in Charlottenburg, neben seiner Ausbildung zum Klempner. Seine künstlerischen Anfänge lagen dabei zwar in der Ölmalerei – doch letztlich spezialisierte er sich auf Rekonstruktionszeichnungen mit Tinte auf Transparentpapier.
um 1930 | Kolk, Spandau
Foto: Albert Ludewig | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Die Klempnerei „Albert Ludewig“
Nach dem Tod seines Vaters 1929 übernahm Albert Ludewig die Klempnerei. Er profitierte in der NS-Zeit von Aufträgen für Militärbauten, so dass er bis zu 80 Mitarbeiter*innen beschäftigte und während des Krieges Zwangsarbeiter*innen einsetzte. Doch Albert Ludewig widmete sich immer mehr der Heimatkunde, so dass seine Frau, die er 1928 geheiratet hatte, zunehmend die Geschäfte leitete. Allerdings konnte sie den Ruin und schließlich den Verkauf des Betriebes 1950 nicht verhindern.
1933 | Spandau
Carl Hansen G.m.b.H., Buchdruckerei und Verlag | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Programmheft „Heimatwoche Spandau“
In den 1930er-Jahren ging Albert Ludewig ganz in seinen heimatkundlichen Forschungen auf. Er engagierte sich bei der 700-Jahr-Feier Spandaus 1932 sowie den von 1933 bis 1935 veranstalteten Spandauer Heimatwochen. Diese trugen wesentlich zur Erweiterung der Sammlung des Heimatmuseums bei, wo er seit 1937 offiziell als Museumspfleger tätig war. Doch die Heimatwochen dienten auch der nationalsozialistischen Weltanschauung, der er sich mit seiner nationalen Gesinnung nicht entgegenstellte.
1944
Albert Ludewig | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Zeichnung der Festung Josefstadt
Albert Ludewig war seit 1934 auch für das Museum für Vor- und Frühgeschichte und den Provinzialkonservator der Reichshauptstadt Berlin tätig. In seinem Streben um Anerkennung als wissenschaftlicher Bauhistoriker ließ er sich – ungeachtet der politischen Tragweite – auch vom Rüstungsministerium zur Erforschung des Festungsbaus vereinnahmen. Deutschlandweit fertigte er in Archiven Abschriften und Kopien zu Militär- und Festungsanlagen an, zu denen er Rekonstruktionsversuche zeichnete.
1945 | Spandau
Albert Ludewig | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Bestandszeichnung der Altstadt Spandau am Ende des Krieges 1939-45
Viele Originale, von denen Albert Ludewig Abschriften und Kopien anfertigte, wurden während des Zweiten Weltkrieges zerstört oder gingen verloren. Er aber rettete seine Sammlung im Keller seiner alten Schule, dem Spandauer Kant-Gymnasium. Unermüdlich hatte er historische Spandauer Gebäude gezeichnet und fotografiert, um sie vor der drohenden Zerstörung durch die Luftangriffe zu dokumentieren. Aus den Ruinen sicherte er Bauspolien und erfasste den noch vorhanden Baubestand und die Fundamente.
1962 | Spandau
Foto: Sebastian Schuth | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Heimatkundliche Sammelmappe von Albert Ludewig
Das eigentliche Verdienst Albert Ludewigs sind seine heimatkundlichen Sammelmappen. Sie stammen hauptsächlich aus den 1930er- und 1940er-Jahren und wurden von ihm später oft ergänzt. Die über 1800 Mappen enthalten historisches Material, vor allem über Spandau, Berlin und die Mark Brandenburg. Die hand- und maschinenschriftlichen Abschriften, Notizen, bibliographischen Angaben, Zeitungsartikel, Fotos, Pläne und Skizzen hielt Albert Ludewig auf jeglichem Papier fest, das ihm zur Verfügung stand.
1970 | Zitadelle, Haselhorst
Albert Ludewig | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Handschriftliches Inventar des Archivs Albert Ludewig
Nach dem Verkauf der Klempnerei und seiner Scheidung 1952 war Albert Ludewig ein zweites Mal von 1954 bis 1966 verheiratet. Während dieser Zeit zog er nach Moabit. In seiner neuen Wohnung fehlte ihm allerdings genügend Platz zur Unterbringung seiner umfangreichen Sammlung. Daher vermittelte ihm, als langjährigem ehrenamtlichen Mitarbeiter des Heimatmuseums Spandau, das Bezirksamtes Spandau 1969 eine Wohnung auf der Zitadelle. Dort wurde auch seine Sammlung untergebracht.
um 2005 | Zitadelle, Haselhorst
Foto: Sebastian Schuth | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Gedenktafel für Albert Ludewig im Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Albert Ludewig verstarb im Dezember 1972. Seine Sammlung ging an das Bezirksamt Spandau über und ist bis heute ein wesentlicher Bestandteil des Archivs des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau. Doch Albert Ludewig war kein akademisch ausgebildeter Wissenschaftler – seine Forschungen wurden oft belächelt und zu Recht kontrovers diskutiert. Aber sein unermüdlicher Einsatz für Spandau und der einzigartige Quellenwert seiner heimatkundlichen Sammlung brachten ihm auf lokaler Ebene Anerkennung ein.
2019 | Zitadelle, Haselhorst
Foto: Sebastian Schuth | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Albert Ludewigs Sammelmappen im Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Die heimatkundliche Sammlung von Albert Ludewig ist ein enormer Fundus. Sie birgt viele historische Informationen, die ohne sein Engagement verloren gegangen wären. Historiker*innen, Denkmalpfleger*innen und Interessierte nutzen die Sammlung bis heute im Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau. Sie ist ein reicher Quellenschatz, für den Albert Ludewig einen anerkannten, traditionsreichen Familienbetrieb aufgab.
1921 | Lynarstraße, Spandau
Buchdruckerei Gutenberg Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Plakat zur ersten Aufführung in der Freilichtbühne an der Zitadelle
Die Freilichtbühne an der Zitadelle eröffnete im Jahr 1921 mit dem Trauerspiel „Sappho“ von Franz Grillparzer. Sie ging aus der „Spandauer Volksbühne“ Otto de Noltes hervor, der die Freilichtbühne aus eigenen Mitteln auf dem Glacis vor der Zitadelle errichtet hatte. Das Gelände gehörte dem Militär. Der Bezirk Spandau pachtete es ab 1923 und stellte es Otto de Nolte kostenlos zur Verfügung. Als Direktor, Spielleiter und Schauspieler schuf er hier eine Spandauer Institution.
1927 | Spandau
Bezirkshochbauamt Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Grundriss der Freilichtbühne
1924 besuchte der Berliner Oberbürgermeister Gustav Böß eine Vorstellung. Er sorgte dafür, dass die Spielstätte 1927 mit öffentlichen Mitteln zu einer dauerhaften Einrichtung ausgebaut wurde. Die Bühne erhielt einen Orchesterraum. Der Zuschauerraum wurde von Laubengängen gerahmt und die Sitzbänke konnten mit Lehnen ausgestattet werden. Zwei Gebäude dienten als Garderobe, ein Schuppen beherbergte nun die Requisiten. Zur Eröffnung inszenierte Otto de Nolte „Die schöne Gießerin“ des Spandauer Heimatdichters Diederich Röhling.
1928 | Freilichtbühne, Haselhorst
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Konzert der Schutzpolizei
Ende der 1920er-Jahre gab es in einer Spielzeit circa 60 Veranstaltungen. Otto de Nolte lud mittwochs und sonntags zu klassischen oder volkstümlichen Theatervorstellungen ein. An den anderen Tagen stellte die Bezirksverwaltung die Bühne Sänger- und Turnvereinen sowie der Arbeiterjugend zur Verfügung. Auch die Kapellen der Reichswehr und der Schutzpolizei veranstalteten Konzerte. Der Eintritt war sehr gering oder entfiel ganz. Die Freilichtbühne blieb eine lokale Spielstätte.
1934
Foto: Verlag Scherl | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Otto de Nolte, Direktor der Freilichtbühne
Otto de Nolte wurde 1877 als Otto de Lemos in eine Schauspielerfamilie in Mühlheim a. d. Ruhr geboren. Mit 17 Jahren begann dort seine schauspielerische Karriere. Sie führte ihn über Halberstadt und Leipzig 1907 nach Berlin, wo er an verschiedenen Sommertheatern und an der Freien Volksbühne spielte. Der Erste Weltkrieg unterbrach seine Laufbahn. Als er danach kein Engagement fand, gründete er 1919 die „Spandauer Volksbühne“ und leitete die Freilichtbühne von 1921 bis 1947. Er starb 1968.
1935-1945 | Freilichtbühne, Haselhorst
Otto de Nolte | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Buchführung der Freilichtbühne
Der Spielbetrieb wurde im Zweiten Weltkrieg bis 1942 aufrechterhalten. Allerdings gab es nur noch etwa zehn Vorstellungen pro Saison und die Ausgaben lagen über den Einnahmen. Seit 1933 hatte Otto de Nolte seine Spielpläne zentral beim Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda genehmigen zu lassen. Er inszenierte zunehmend Schwänke und Gegenwartsstücke. Neben seinem Programm fanden Konzerte der SA-Kapelle und Veranstaltungen der Hitlerjugend statt.
1957 | Freilichtbühne, Haselhorst
Foto: Franz Freytag | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Aufführung von Gustav Geibels Lustspiel „Meister Andreas“
1947 wurde die Bühne dem Kunstamt Spandau unterstellt. Die Anlage selbst hatte keine Kriegsschäden davongetragen, aber das gesamte bewegliche Mobiliar war abhandengekommen. Instandsetzung und Renovierung wurden mit Spenden für ein ursprünglich neu geplantes Theater von den Spandauer*innen finanziert. Dem Publikum bot sich ein vielseitiges und preisgünstiges Programm mit Theateraufführungen unter wechselnder Regie, Folklore-Veranstaltungen und Chorkonzerten.
1954 | Galenstraße, Spandau
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Otto de Nolte als „Charleys Tante“
Zwar hatte Otto de Nolte die Leitung der Freilichtbühne 1947 aus Altersgründen abgegeben, doch blieb er dem Theater weiterhin verbunden. Er unterstützte die Freilichtbühne und leitete die Laienspielgruppe der Spandauer Volkshochschule. Sein 60-jähriges Bühnenjubiläum feierte er 1954 als „Charley´s Tante“ in der Aula der Freiherr-vom-Stein-Schule. Zwei Jahre darauf erhielt er für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz. Otto de Nolte starb 1968.
1962
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Eintrittskarte zum Pfingstkabarett
In den 1960er-Jahren wurden die technischen Anlagen der Bühne erneuert. Bis zum Umbau 1983 gab es ein buntes Programm mit vielen populären Veranstaltungen. Neben Kabarettveranstaltungen und Konzerten wurden Werke unterschiedlichster Autoren, zum Beispiel Aristophanes, Friedrich Schiller, Bernhard Shaw und Tennessee William, aufgeführt. Akteure waren unter anderem der Spandauer Theaterverein „Varianta“ und das Kleine Schauspiele-Ensemble Berlin. Bei Regen wich man in den Festsaal auf der Zitadelle aus.
1984 | Freilichtbühne, Haselhorst
Foto: Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Rockkonzert in der Freilichtbühne
Nach einer längeren Umbauphase, in der die Bühne ein modernes Zeltdach erhielt, wurde die Freilichtbühne 1985 mit der Veranstaltung „Spandau wie es singt und lacht“ wiedereröffnet. Die Überdachung schützte fortan auch die elektrischen Anlagen der nun samstags und sonntags um 15.30 Uhr auftretenden Rockgruppen. Das Theaterprogramm gestaltete fortan das Altstadt-Theater. Es begründete die „Spandauer Sommerfestspiele“, bei denen von 1986 bis 1999 Klassiker zur Aufführung kamen.
2011
enka-druck GmbH | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Programmhefte zum 90-jährigen Jubiläum
Zum 90-jährigen Bestehen der Freilichtbühne startete 2011 die Reihe „Umsonst & Draußen“. Seither spielen hier sonntagvormittags lokale Orchester, Chöre und Ensembles bei freiem Eintritt. Seit dem Jahr 2000 liegt die Leitung der Freilichtbühne in den Händen des Kulturhauses. Es organisiert zusammen mit dem Magma Theater Spandau e.V. und weiteren Kooperationspartnern den Spandauer Kultursommer. Pro Spielzeit wird ein bunt gemischtes Programm mit circa 80 Veranstaltungen angeboten.
1920 | Neuendorfer Straße, Hakenfelde
III. Polizei-Revier Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Hedwig Hammlers Polizeiliche Anmeldung in der Stadt Spandau
Hedwig Nitz kam 1883 in der schlesischen Kurstadt Landeck zur Welt, in der ihre Eltern ein Hotel betrieben. Im Juni 1908 heiratete sie den kaufmännischen Direktor Ernst Hammler in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Charlottenburg. Bis 1909 führten die beiden ein großbürgerliches Leben in Kiel und danach in Görlitz. Seit 1920 lebten sie in Spandau. Hier war Ernst Hammler als Direktor bei den Reichswerken tätig. Hedwigs polizeiliche Anmeldung am 19. Juni 1920 nahm noch die selbständige Stadt Spandau entgegen.
1925
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Passbild Ernst Hammlers aus dem Dienstausweis der Deutschen Industrie-Werke AG
Ernst Hammler, Jahrgang 1870, stammte aus der Provinz Posen und machte als kaufmännischer Direktor Karriere. Seit 1904 war er bei der Friedrich-Krupp-Germaniawerft in Kiel tätig, die Kriegsschiffe und U-Boote baute. Als Vorstand der AG Görlitzer Maschinenbauanstalt und Eisengießerei führten ihn ab 1909 viele Dienstreisen nach Russland. Seit 1920 verantwortete er den Verkauf der auf Friedensproduktion umgestellten Waren bei den Reichswerken Spandau. Aus ihnen ging 1925 die Deutsche Industriewerke AG hervor.
um 1925 | Freiheit, Spandau
Foto: Deutsche Werke AG | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Bau von Holzwagen als Reparationsleistung an Belgien
Die Reichswerke Spandau gehörten zu den ehemaligen Reichs- und Marinewerkstätten, die 1919 zur Deutsche Werke AG zusammengefasst wurden. Gemäß des Versailler Vertrages hatten sie ihre Produktion auf Waren für den zivilen Bereich umzustellen. Die unter Aufsicht der Siegermächte stehenden Spandauer Werke mussten zudem Reparationen in Form von demontierten Maschinen, Waren und Geld leisten. Zugleich waren sie gezwungen, die Zahl ihrer Beschäftigten deutlich zu verringern.
um 1945
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Hedwig Hammler
Hedwig Hammler war eine kaisertreue und weltgewandte, aber auch sparsame und bescheidene Frau. Sie hatte ihre Schulausbildung auf einem evangelischen Internat im pommerschen Köslin und in Dresden erhalten. In Spandau lud sie gelegentlich zu Kaffee und Tee in ihren Salon ein, spielte Klavier, besuchte Theatervorstellungen in Berlin und widmete sich dem Garten. Das Ehepaar blieb kinderlos.
1943 | Eiswerder Straße, Hakenfelde
Amtsgericht Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Inventarverzeichnis über den Besitz der Familie Hammler
Im Zweiten Weltkrieg verstärkten die Alliierten ab 1943 ihre Luftangriffe auf Berlin. Spandau lag in der Einflugschneise der Bomber und zugleich im Fokus, da dort in der NS-Zeit die Rüstungsproduktion wieder aufgenommen worden war. Wegen zu befürchtender Kriegsschäden ließ Ernst Hammler in einem Inventar seinen Besitz aufstellen. Dessen Wert belief sich auf über 480.000 Reichsmark. Die Wohnung der Hammlers blieb von Zerstörungen verschont – im Gegensatz zu weiten Teilen der Alt- und Neustadt.
1943 | Kleinbeeren
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Ernst Hammler auf einem Jagdausflug
Infolge einer Verletzung im Ersten Weltkrieg litt Ernst Hammler unter Nervenschwäche und Rheuma. 1932 ging er aus Altersgründen in den Ruhestand. Vermutlich spielten dabei auch seine kaisertreue Gesinnung und die zu erwartende Umstrukturierung der Werke durch die Nationalsozialisten eine Rolle. Seine neu gewonnene Freizeit nutzte er für Kuraufenthalte in Bad Tölz und Bad Reichenhall, Gartenarbeiten und Treibjagden im Winter. Er verstarb 1952.
um 1965 | Eiswerder Straße, Hakenfelde
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Das Wohnhaus von Ernst und Hedwig Hammler
Die Hammlers wohnten in der Neuendorfer Straße 30, heute Eiswerder Straße 5. Ihre 6-Zimmer-Wohnung lag in der ersten Etage des Direktorenhauses in einer kleinen Siedlung der ehemaligen Rüstungswerke. Im Dachgeschoss lebte Hedwigs Mutter bis zu ihrem Tod 1944. Auch Bedienstete waren dort untergebracht. Das Haus und der bis zur Havel reichende Garten waren 1964 Drehort für eine Szene in „Der Hexer“ aus der Edgar-Wallace-Reihe. Diese produzierte die Rialto Film GmbH in den nahe gelegenen CCC-Studios.
um 1963 | Eiswerder Straße, Hakenfelde
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Hedwig Hammler mit einer Hausangestellten
Als großbürgerliches Ehepaar hatten die Hammlers stets Personal, das den Haushalt versorgte. Nach dem Tod ihres Mannes beschäftigte Hedwig weiterhin eine Haushälterin. Sie erhielt lebenslanges Wohnrecht, Möbel und eine größere Summe, als Hedwig 1983 im Alter von 99 Jahren verstarb. Das Evangelische Johannesstift erbte das restliche Vermögen und das Haus.
2017 | Gotisches Haus, Spandau
Foto: Friedhelm Hoffmann | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Damensalon der Familie Hammler
Die letzte Haushälterin erwarb einen Großteil der vom Evangelischen Johannesstift veräußerten Einrichtung der Hammlers. Diese kam 1999 in den Besitz des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau. Das Ensemble des Damensalons ist heute im Gotischen Haus ausgestellt. Dieses wurde im Zuge der Altstadtsanierung in den 1980er-Jahren „wiederentdeckt“, restauriert und 1992 als Dependance des Museums eröffnet. Weiteres Mobiliar der Hammlers soll zukünftig im Gutshaus Neukladow gezeigt werden.
1942 | Spandau
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Schulzeugnis von Ingrid Metzler
Ingrid Metzler wurde 1930 als älteste Tochter in eine Gastronomen- und Hoteliersfamilie geboren. Ingrid wuchs in der Neuendorfer Straße 100 in Spandau auf. Über ihre Kindheit während der NS-Zeit ist wenig bekannt. Sie besuchte die Ina-Seidel-Oberschule für Mädchen, das heutige Lily-Braun Gymnasium, am Rande der Altstadt. Obwohl ihre Schulleistungen nur im mittleren Bereich lagen und ihr Lehrer urteilte: „Ingrid ist leicht abgelenkt“, leitete sie später erfolgreich das Spandauer Volksblatt.
1949 | Hohenzollernring, Spandau
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Hochzeitsfoto von Ingrid Metzler und Kurt Lezinsky
Nach dem Abitur verlobte sich Ingrid Metzler mit Kurt Lezinsky. Sein Vater, der Sozialdemokrat Erich Lezinsky, leitete das Spandauer Volksblatt, für das ihm die Britische Militärregierung Anfang März 1946 die Lizenz erteilt hatte. Das Verlagshaus der Tageszeitung lag in unmittelbarer Nachbarschaft von Ingrids Elternhaus. Am 14. Mai 1949, zwei Tage nach dem Ende der Blockade West-Berlins, heirateten Ingrid und Kurt. Die Feier mit etwa 50 Gästen fand im Hotel Europa in Spandau statt.
1976 | Spandau
Olaf Lezinsky | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Kochbuch für Ingrid Below-Lezinsky
Nach ihrer Heirat war Ingrid Hausfrau, während ihr Mann mit seiner Mutter 1952 den Verlag übernahm. Ingrid bekam drei Söhne: Rainer, Olaf und Lars, die in der Zeitungswelt groß wurden. Olaf schenkte seiner Mutter 1976 ein selbstgebasteltes Kochbuch. Aus dem „Stern“ hatte er Rezepte ausgeschnitten und in ein Heft geklebt. Dazu schrieb er weitere Rezepte und kreative Überschriften, wie „Wir killen den Hai“ für gegrillte Hai-Steaks mit grünem Pfeffer oder „Viva la Italiano“ für Spaghetti Bolognese.
1971 | Neuendorfer Straße, Spandau
Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Andrang vor dem Verlagshaus des Spandauer Volksblattes zum 25-jährigen Bestehen
Nach dem Tod ihrer Schwiegermutter und ihres Mannes 1967 führte Ingrid Lezinksy den Zeitungsverlag als Familienbetrieb weiter. Von 1970 bis 1986 erhielt sie Unterstützung von ihrem zweiten Ehemann Joachim Below. In diese Zeit fiel das 25-jährige Jubiläum der Tageszeitung. Neben der offiziellen Feierstunde im Verlagsgebäude feierten die Spandauer*innen bei Erbsensuppe und Freibier im gegenüberliegenden Wröhmännerpark. Eine Kapelle der nahen Schultheiss-Brauerei sorgte für gute Stimmung.
1971 | Spandau
Erich-Lezinsky-Verlag und Buchdruckerei | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Probeausgabe des Spandauer Anzeigers
Ab 1971 brachte Ingrid Below-Lezinsky den Spandauer Anzeiger in ihrem Verlag heraus. Er war einer der ersten kostenlosen Berliner Anzeigenblätter und wurde monatlich, später 14-tägig, an alle Spandauer Haushalte verteilt. Als Einkauf- und Alltagsratgeber informierte er die Spandauer*innen über aktuelle Angebote und Trends, berichtete in kurzen Artikeln über Lokales und enthielt ein Kreuzworträtsel und Horoskop. Er trug wesentlich zur Bindung der Spandauer Leserschaft an den Verlag bei.
1976 | Neuendorfer Straße, Spandau
Joachim Diederichs | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Ingrid Below-Lezinsky in der Verlagsdruckerei
In der verlagseigenen Rotationsdruckerei im Hinterhaus wurden das Spandauer Volksblatt – 1976 mit einer Gesamtauflage von 24.500 Exemplaren – und der Spandauer Anzeiger produziert. Daneben liefen viele weitere Druckerzeugnisse in hoher Auflage vom Band, wie die taz Berlin, Werbeprospekte und Drucksachen West-Berliner Parteien. Durchschnittlich 150 Mitarbeiter*innen waren im Verlag und in der Druckerei beschäftigt, darunter zeitweise Günter Grass, Wolfgang Neuss, Alice Brauner, Anne Will und andere Prominente.
1980 | Spandau
Erich-Lezinsky-Verlag und Buchdruckerei | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Erinnerungsalbum an eine Leserkreuzfahrt in Griechenland
Ab 1976 organisierte Ingrid Below-Lezinsky von ihr persönlich begleitete Leserreisen in ferne Länder, über die sie Erinnerungsalben zusammenstellte und Reiseberichte im Volksblatt veröffentlichte. Ab 1981 nannte sich die Zeitung Volksblatt Berlin. Mit dieser Namensänderung sollte der gesamte West-Berliner Zeitungsmarkt erobert werden, nachdem die Tageszeitungen der Telegraf, die Nachtdepesche und der Abend ihr Erscheinen eingestellt hatten.
um 1989
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Karikaturen über die Übernahme des Volksblatts durch den Axel-Springer-Verlag
1989 erwarb der Axel Springer Verlag 24,9 Prozent des Erich Lezinsky Verlags. Kritiker*innen befürchteten, dass das Volksblatt dadurch seinen linksliberalen Charakter verlieren würde. Nach dem Mauerfall dehnte die Zeitung ihr Einzugsgebiet auf das Havelland aus, konzentrierte sich aus wirtschaftlichen Gründen aber bald wieder als Spandauer Volksblatt auf den lokalen Markt. Im März 1992 wurde auf ein wöchentliches Erscheinen umgestellt. 1994 übernahm der Axel Springer Verlag das ganze Verlagshaus.
1992
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Einladung von Queen Elisabeth II für „The Last Tattoo in Berlin“
Als Verlegerin und gute Seele des Spandauer Volksblattes lernte Ingrid Below-Lezinsky über die Jahre viele Politiker*innen und Prominente persönlich kennen. Diese kamen zu Interviews in das Verlagshaus oder schrieben Gastbeiträge für Sonderausgaben. Ein Höhepunkt war die Einladung zur British Berlin Tattoo-Show in der Deutschlandhalle im Oktober 1992. Ingrid erhielt eine persönliche Einladung von Queen Elisabeth II., mit ihr an der Aufführung der Militärmusikparade teilzunehmen.
1996
Verein der Zeitungsverleger in Berlin und Brandenburg e.V. | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Presseausweis von Ingrid Below-Lezinsky
Als sozialliberale Zeitung informierte das Spandauer Volksblatt die Spandauer*innen seit 1946 über weltweite und lokale Ereignisse in Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur. Die Zeitung durchlebte bewegte Zeiten und den Wechsel von der Tages- über die Wochenzeitung zum Anzeigenblatt. Beständig war über mehr als sechs Jahrzehnte der Einsatz der Familie Lezinsky, allen voran Ingrid Below-Lezinsky. Sie blieb bis zu ihrem Tod 2005 Herausgeberin der wöchentlichen Lokalausgabe der Berliner Woche.
1924 | Breite Straße, Spandau
Foto: Kühn | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Gustav Simonsohn mit seiner Frau Elsa vor seinem Farbengeschäft
Gustav Simonsohn wurde 1894 als Sohn eines jüdischen Pferdefuhrunternehmers in Spandau geboren. Er besuchte die 9. Gemeindeschule (heute Lynar-Grundschule). Mit 14 Jahren begann er eine kaufmännische Lehre bei einer Spandauer Eisenwarenhandlung. Im Ersten Weltkrieg war er an der Westfront und im heutigen Irak in einer Kraftfahrerabteilung im Einsatz. Nach seiner Rückkehr eröffnete er 1919 ein Farbengeschäft in der Breiten Straße 10. Drei Jahre darauf heiratete er Elsa Tausche.
um 1925
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Gustav Simonsohn (letzte Reihe Mitte) mit Freunden auf einem Ausflug
Die Brutalität des Ersten Weltkrieges und die sozialen Nöte der sich anschließenden Arbeitslosigkeit, der Inflation und Weltwirtschaftskrise brachten den Berliner*innen viel Entbehrung. Sie sehnten sich nach Erholung und Vergnügen. Gustav Simonsohn liebte es, mit der Familie und Freunden Ausflüge in das Umland zu unternehmen. In den Geselligkeitsvereinen „Xerxes“ und „Jugendfreunde“ sorgte er mit seiner Laute oft für die musikalische Unterhaltung.
um 1930
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Gustav Simonsohn bei einem Familienausflug mit seinem D-Rad
1925 kam Gustavs Sohn Gerhard zur Welt. Damit war das Familienglück perfekt – für kurze Zeit. Da Gustav Simonsohn keinen Kontakt mehr zur Jüdischen Gemeinde hatte, wurde Sohn Gerhard christlich getauft. Simonsohn interessierte sich vor allem für technische Neuerungen. Er war stolzer Besitzer eines D-Rades, das in der Deutsche Industrie-Werke AG in Spandau als preiswerte Alternative zum Automobil hergestellt wurde. Gleichgesinnte suchte Gustav im Spandauer Motorradclub und im Deutschen Radio Club Berlin.
1935 | Spandau
Polizeiamt Spandau IV | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Bescheinigung über die Verleihung des Ehrenkreuzes für Frontkämpfer
Die Nürnberger Gesetze von 1935 verschärften die seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten herrschende Ausgrenzung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung. Dennoch war Gustav Simonsohn im gleichen Jahr das Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen worden. Seine jüdische Herkunft hatte während des Einsatzes im Ersten Weltkrieg keine Rolle gespielt. Für jüdische Soldaten hatte es Gleichbehandlung gegeben. 1939 hingegen wurde Gustav Simonsohn wie alle Juden zu Beginn des Zweiten Weltkrieges „vom Dienst in der Wehrmacht […] ausgeschlossen“.
1936-1940
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Arbeitsbuch von Gustav Simonsohn
Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage musste Gustav Simonsohn sein Farbengeschäft 1932 aufgeben. Er war nun zeitweise arbeitslos oder bei verschiedenen Unternehmen in Spandau und Umgebung als Lastwagenfahrer tätig. Von 1936 an war er als Fahrer bei der Holz- und Kohlehandlung Flemming beschäftigt. Seine Kolleg*innen schätzten ihn sehr. Als ihm jedoch 1938 – wie allen jüdischen Menschen – der Führerschein entzogen wurde, musste er sich beruflich umorientieren.
1940/41 | Berlin
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Die vermutlich letzte Aufnahme von Gustav Simonsohn auf der Hochzeit eines Kollegen aus seiner Arbeitskolonne am Bahnhof Nöldnerplatz
Die „Zentraldienststelle für Juden“ in der Kreuzberger Fontanepromenade vermittelte Gustav Simonsohn – wie allen Berliner Juden und Jüdinnen – schwere und schlecht bezahlte Arbeit. Ab Dezember 1940 musste er Zwangsarbeit beim „Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin“ leisten. Bei Gleisbauarbeiten am heutigen Bahnhof Nöldnerplatz kam es im April 1941 zu einem Streit. Infolge dessen wurde er verhaftet, ins Polizeigefängnis am Alexanderplatz gebracht und ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert.
1941 | Spandau
Konzentrationslager Buchenwald | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Telegramm mit der Nachricht über den Tod von Gustav Simonsohn
Gustav Simonsohn starb am 12. September 1941 im Konzentrationslager Buchenwald. Seine persönlichen Sachen und Guthaben wurden seiner Frau ausgehändigt – unter Abzug der Übersendungskosten. Seine Urne wurde neben Familienangehörigen auf dem Spandauer Feld des Jüdischen Friedhofs Adass Jisroel in Berlin-Weißensee beigesetzt. Dorthin waren 1940 alle Gräber des jüdischen Friedhofs in Spandau überführt worden, da deren Schändung durch die Räumung und Nutzung des Geländes durch die Wehrmacht drohte.
1942 | Spandau
Bauplanungsamt Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Schreiben des Bauplanungsamtes bezüglich des Verkaufs eines geerbten Grundstücks
Elsa Simonsohn war 1943 Miterbin eines Grundstücks, das verkauft werden sollte. Das Spandauer Bezirksamt vermutete, dass es sich bei den Erben um Jüdinnen und Juden handeln könnte, die sich im Ausland befinden. Deren Vermögen fiel nach dem Reichsbürgergesetz von 1941 dem Staat zu. 1944 prüfte die Vermögensverwertungsstelle den Nachlass erneut und verwies darauf, dass der Verkauf jüdischen Eigentums seit Februar 1943 verboten war.
1994 | Berlin
Gerhard Simonssohn | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
„Leben im Schatten wachsenden Unheils“
Gustav Simonssohns Sohn Gerhard begann 1995 die Erinnerungen an seine Jugend und seinen Vater aufzuschreiben. Er konnte, obwohl von der nationalsozialistischen Ideologie als „Mischling ersten Grades“ diffamiert, zur Schule gehen und eine Lehre als Elektromechaniker absolvieren. Nach dem Krieg holte er das Abitur nach, studierte Physik, promovierte und habilitierte. Bis 1990 war er Professor für Experimentalphysik an der Freien Universität Berlin.
2012 | Breite Straße, Spandau
Foto: Uwe Hofschläger | Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Der neu verlegte Stolperstein für Gustav Simonsohn
Ein Stolperstein erinnert seit 2012 an Gustav Simonsohn. Die Jugendgeschichtswerkstatt Spandau ließ ihn zu dessen Geburtstag vor dem ehemaligen Farbengeschäft in der Breiten Straße verlegen. 2019 ist er einer von derzeit 40 Stolpersteinen in Spandau, die das Schicksal an Verfolgte, Vertriebene und Ermordete des Nationalsozialismus wachhalten. Berlinweit gibt es zurzeit über 8000 Stolpersteine.