Handwerk und Gewerbe

Spandauer Fleischerinnung. Stadtgeschichtliches Museum Spandau

1929 | Spandau

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Spandauer Fleischerinnung

Zum 700-jährigen Innungsjubiläum im Jahr 1929 kamen die Vertreter der Fleischer- und Maler-Innung zusammen. Die Spandauer Fleischergesellen zeigten sich traditionell in Arbeitskleidung. Ihre „Obermeister“ traten mit Anzug und Zylinder auf. Frauen waren nicht vertreten. Seit mehreren Jahrzehnten schrumpft das Fleischerhandwerk. In Deutschland hat sich die Anzahl der Fleischereien innerhalb der letzten 20 Jahre fast halbiert. Berlins letzte Fleischerfachschule in Moabit schloss Ende 2019. Die Bewerberzahlen waren niedrig – zu schlecht die Bezahlung, zu hart die körperliche Arbeit.

1931 | Brunsbütteler Damm, Staaken

Filmmuseum Berlin – Deutsche Kinemathek

Dreharbeiten zu „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“

1923 siedelte sich in der ehemaligen Zeppelin-Werft auf dem Flugplatz Staaken ein Filmatelier an. In der 42 Meter hohen Luftschiffhalle aus dem Ersten Weltkrieg konnten spektakuläre Kulissen gebaut und neueste Beleuchtungstechniken angewandt werden. Etwa ein Drittel aller deutschen Filmproduktionen jener Zeit entstand in den Filmwerken Staaken. Bis zu ihrer Schließung 1934 wurden hier berühmte Filme gedreht, allen voran „Metropolis“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ unter der Regie von Fritz Lang. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte die Filmindustrie in Spandau mit den CCC-Studios von Artur Brauner in Haselhorst wieder auf.

1951 | Zitadellenweg, Haselhorst

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Auto Union Werk

Bereits um das Jahr 1900 hatte sich in Spandau die Automobilindustrie angesiedelt. Das Auto-Union-Werk – bestehend aus den Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer – war seit 1928 mit dem hiesigen DKW-Zweigwerk in Haselhorst ansässig. Es entwickelte sich zur größten Automobilfirma in Spandau. Bis 1953 wurden Holzkarosserien hergestellt. Von 1950 bis 1965 fungierte das Werk als Zulieferbetrieb und fertigte Elektroausrüstungen sowie Getriebe. Der Reparaturbetrieb schloss 1974.

1966 | Havel, Wilhelmstadt

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Ein großer Fang – Fischerei Mahnkopf

Gefischt wird in Havel und Spree seit der Steinzeit. Die Spandauer Fischereien befanden sich zunächst am Burgwall. 1813 wurden sie während der Befreiungskriege von der napoleonischen Stadtkommandantur nach Tiefwerder umgesiedelt. Fischermeister Fritz Mahnkopf ging bis in die 1970er Jahre in Tiefwerder seinem Handwerk nach. Heute gibt es noch acht Berufsfischer an der Havel. Sie gehören der Fischersozietät Tiefwerder-Pichelsdorf an, die die Fischereirechte besitzt. Ihre Fischgründe erstrecken sich von der Mühlendammschleuse in Berlin-Mitte bis zur Stadt Brandenburg / Havel.

1977 | Zitadellenweg, Haselhorst

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Wurstfabrik Herta

Seit 1961 wird auf dem Gelände der ehemaligen Patronenfabrik unter dem Namen „Herta“ Wurst produziert. Hervorgegangen war das Unternehmen aus einer 1897 gegründeten Ladenmetzgerei in Herten (NRW) im Besitz der Familie Schweisfurth. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde Herta zu einem Großproduzenten von Fleischwaren. Der Spandauer Betrieb, der 1977 modernisiert wurde und einen Neubau erhielt, spezialisierte sich auf die Herstellung von Schinken und Salami. 1984 wurde das Unternehmen an den Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé verkauft.

um 1980 | Mertensstraße, Hakenfelde

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Belegschaft der Möbelfabrik Spiekermann & Co.

1905 eröffnete das Spandauer Möbelwerk Spiekermann & Co. in der Jagowstraße. Der Kleinbetrieb stellte zunächst Fenster und Türen her. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Werk von sowjetischen Truppen demontiert und das Rohstofflager abtransportiert. Doch Franz Spiekermann, der letzte Obermeister der Spandauer Tischlerinnung, nahm den Betrieb schrittweise wieder auf. In den 1950er-Jahren beschäftigte er 65 Mitarbeiter*innen. Die Produktion in den 1980er Jahren konzentrierte sich neben Schlafzimmer- und Büroeinrichtungen sowie Schulmöbeln auf Innenausbauten für Krankenhäuser.

1986 | Breite Straße, Spandau

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Geigenbauerwerkstatt

Im Jahr 1986 eröffnete der Geigenbauer Andreas Zimmermann in der Breiten Straße 35 seine Werkstatt. Der damals 25-jährige Jungmeister hatte sich auf den Neubau von Streichinstrumenten spezialisiert – eine seltene Handwerkskunst. In aufwändiger Handarbeit fertigte er Geigen, Bratschen und Celli. Das Handwerk erlernte er an der berühmten Geigenbauschule in Mittenwald (BY). Seine Instrumente baute er nach traditionellen Methoden. Seit 1994 befindet sich seine Geigenbauwerkstatt in der Charlottenburger Kaiser-Friedrich-Straße.

1988 | Wiesendamm, Spandau

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Eierlikör- und Eierproduktefabrik Rex Deneke GmbH

Die Eierlikörfabrik REX Deneke Advokaat mietete sich 1959 auf dem städtischen Gelände am Wiesendamm 27 ein. Robert Deneke hatte die Firma bereits 1950 in der Zähringer Straße in Wilmersdorf gegründet. Im neuen Werk in Ruhleben wurden neben Eierlikör auch andere Eierprodukte in keimfreier Form für die Backwaren-, Fleisch- und Süßwarenindustrie hergestellt. Bis zu 180 Mio. Eier wurden dabei jährlich verarbeitet. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft zeichnete den Betrieb mehrmals aus – allerdings wurde er 2006 geschlossen.

1992 | Freiheit, Spandau

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Frank Henke Mode GmbH

Seit den 1950er Jahren existierten in Spandau mehrere Textilfabriken. Neben der Strumpffabrik „Berolina“ siedelte sich in den 1960er Jahren die Frank Henke Mode GmbH in Spandau an. Der Handelskaufmann Frank Henke hatte das Berliner Modegeschäft bereits kennengelernt, als er sein Unternehmen mit dem Label Jean Paul in der Wilhelmstadt gründete. Die Firma wuchs kontinuierlich und erreichte in den 1980er Jahren einen Jahresumsatz von 100 Mio. DM. 2019 nahm das Modeunternehmen noch an der Berliner Fashion Week teil, musste jedoch zum Ende desselben Jahres Insolvenz anmelden.

2018 | Am Zeppelinpark, Staaken

Florida-Eis Manufaktur GmbH

Florida-Eis Manufaktur

Die Geschichte von Florida Eis begann 1927 im Vorraum des Kinos Concordia (später Regina) in der Klosterstraße in Spandau. Zu Stummfilmen mit Charly Chaplin und Buster Keaton konnte das Publikum drei bis vier selbstgemachte Eissorten genießen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Produktion in einem neu errichteten Wohnhaus an gleicher Stelle wiederaufgenommen. Seit 1984 baute Inhaber Olaf Höhn mit Konditorin Simone Gürgen Florida Eis zu einer bundesweit gefragten Eismarke aus. Das Spandauer Speiseeis ist laktose- und glutenfrei und wird seit 2013 klimaneutral hergestellt.

Industrie

Arbeiter*innen im Wernerwerk I. Stadtgeschichtliches Museum Spandau

um 1920 | Freiheit, Spandau

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

„Friedenswirtschaft“ bei der Deutschen Reichswerke AG

Die Rüstungsindustrie war seit 1722 der wichtigste Produktionszweig in Spandau. Sie hatte ihren Höhepunkt im Ersten Weltkrieg. Gemäß dem Versailler Vertrag mussten die Betriebe der 1920 neugegründeten Deutschen Reichswerke AG ihre Produktion auf „Friedenswirtschaft“ umstellen. Fortan stellten sie unter der Aufsicht der Siegermächte Kochgeschirr sowie Prothesen, Betten, Pferdewagen, landwirtschaftliche Geräte und sogar Holzhäuser her. Ein Teil der Waren diente als Reparationsleistungen.

um 1930 | Nennhauser Damm, Staaken

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Flugzeugwartung der Deutschen Luft Hansa

Bereits während des Ersten Weltkrieges waren auf dem Flugplatz Staaken in den Zeppelin-Werken zwölf Luftschiffe und acht Riesenflugzeuge für den militärischen Einsatz hergestellt worden. Ende 1925 übernahm die Deutsche Luft Hansa AG die Werkhallen und baute sie zu einem modernen Wartungs- und Ausbildungszentrum aus. Im Zweiten Weltkrieg produzierte Lufthansa Flugzeuge unter Einsatz tausender Zwangsarbeiter*innen, darunter auch Kinder. Nach dem Krieg wurde der Flugplatz geschlossen.

1934 | Wernerwerkdamm, Siemensstadt

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Arbeiter*innen im Wernerwerk I

Spandau profitierte von der Randwanderung der Berliner Industrie und wurde ein wichtiger Standort für Großunternehmen. Ab 1897 siedelte sich die Elektrofirma Siemens auf den Nonnenwiesen an. Nahezu ihre gesamte Produktion beruhte während der NS-Zeit auf staatlichen Rüstungsaufträgen. Ab 1940 vermittelte die „Zentrale Dienststelle für Juden“ jüdische Menschen zur Zwangsarbeit in die Revolverdreherei im Wernerwerk I. Bis 1945 wurden mindestens 80 000 Zwangsarbeiter*innen bei Siemens ausgebeutet.

1951 | Nauener Straße, Spandau

Foto: Bert Sass | Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (07) Nr. 0009956

Arbeiter im Schlachthof Spandau

Der 1889 eröffnete kommunale Schlachthof versorgte Spandau und Teile Berlins mit Fleisch- und Wurstwaren. Ab 1951 wurde er zum zentralen Schlachthof für Berlin ausgebaut, da der Zentralvieh- und Schlachthof in Prenzlauer Berg seit der Blockade West-Berlins 1948/49 nur noch Ost-Berlin belieferte. Durch die Subventionen des Berlinhilfegesetzes avancierte er zu einem der florierendsten Schlachthöfe Deutschlands. Er wurde 1988 geschlossen und 1990 – bis auf den markanten Wasserturm – abgerissen.

1954 | Staakener Straße, Spandau

Foto: Bert Sass | Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (03) Nr. 0032839

Berolina Strumpffabrik

1952 begann die Berolina Strumpffabrik – direkt neben dem Schlachthof – ihre Produktion. Viele der Arbeiter*innen waren aus Sachsen geflüchtet, wo sie in der Textilindustrie tätig gewesen waren. Sie stellten mit viel Fingerspitzengefühl erstmals in Berlin Damenstrümpfe aus Perlon her. Um die feinen Fäden nicht zu beschädigen trugen sie Handschuhe. Hudson übernahm das Werk 1962 und stellte die Produktion auf nahtlose Strümpfe um. Der Siegeszug der Feinstrumpfhose beendete 1994 die Fabrikation.

um 1985 | Nonnendammallee, Siemensstadt

Foto: Manfred Hamm | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Siemens-Dynamowerk

Im Siemens-Dynamowerk werden Generatoren und elektrische Antriebe für Kraftwerke und industrielle Anlagen hergestellt. In den 1980er-Jahren waren hier um die 1500 Arbeiter*innen beschäftigt. Die drohende Schließung nach der deutschen Wiedervereinigung wurde mit der steigenden Nachfrage und Produktion von Windgeneratoren abgewendet. Die 2017 angekündigte Schließung wurde mit dem im März 2019 eröffneten A32 Entrepreneur Forum Berlin verhindert. Es ist Teil der zukünftigen Siemensstadt 2.0.

1991 | Staakener Straße, Spandau

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Baggerbau bei Orenstein & Koppel

Die für ihren Waggon- und Baggerbau weltweit bekannte Firma Orenstein & Koppel war von 1899 bis 2006 in Spandau ansässig. Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sie sich hier zunehmend auf die Produktion von Baggern. Das Geschäft boomte, so dass das Werk 1972 ein Schulungszentrum für die Fahrer eröffnete und 1993 die Produktion in einen Neubau verlegte. Indessen stellte die Firma den Waggonbau 1981 ein. Für die BVG hatte sie bis dahin über 1100 U-Bahnwagen und 900 Omnibusse gebaut.

2014 | Am Juliusturm, Haselhorst

Foto: BMW AG | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Motorradproduktion bei BMW

Fahrzeugbau ist in Spandau untrennbar mit Motorrädern verbunden. Die „Bayrischen Motorenwerke“ (BMW) haben seit 1922 Produktionsstätten in Spandau. Sie begannen 1949 mit der Fertigung von Motorradteilen für ihr Münchener Werk. Bis 1969 verlagerten sie ihre komplette Motorradproduktion nach Spandau. 2011 lief hier das zweimillionste Motorrad vom Band, an dem bis zu 800 Stück pro Tag montiert werden. Das Spandauer Werk ist mit derzeit 2100 Beschäftigten die einzige Motorradfabrik Deutschlands.

Infrastruktur und Versorgung

Letzte Fahrt zur Müllkippe Egelpfuhl. Stadtgeschichtliches Museum Spandau

um 1921 | Stabholzgarten, Spandau

Foto: Gerhard Matzk | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Sprengwagen der Berliner Stadtreinigung und des Fuhramtes Bezirksamt Spandau

Infolge des Groß-Berlin-Gesetzes wurde 1920 als Teil der Verwaltungsvereinheitlichung das Stadtreinigungs- und Fuhramt gegründet. Es war zuständig für Müllbeseitigung, Straßenreinigung und Fuhrwesen. Die Zentrale der Spandauer Straßenreinigung befand sich in der Moritzstraße. Eine vollständige und längerfristige Zusammenführung der bezirklichen Betriebe und ihrer Aufgaben erfolgte allerdings erst 1992 unter der Berliner Stadtreinigung (BSR).

um 1925 | Parkstraße, Hakenfelde

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Gaswerk Spandau

Spandaus erstes Gaswerk ging 1858 in Betrieb. Zu Beginn wurde das Gas nur für Beleuchtungszwecke verwendet, später auch zur Versorgung von Haushalten, Gewerbe und Industrie. Ab 1920 gehörte das Gaswerk zum Berliner Energieversorger GASAG. In Berlin gab es nun 33 Gaswerke und 119 Gasbehälter. In den nächsten Jahren folgte die Zusammenlegung kleinerer Gaswerke. 1927 stellte das Werk in Spandau den Betrieb ein. Eine 50 000 Kubikmeter große Behälterstation auf dem Gelände wurde jedoch noch bis 1988 genutzt.

1930/31 | Otternbuchtstraße, Siemensstadt

Foto: Graßmann | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Kraftwerk West

Das Kraftwerk West (heute Heizkraftwerk Reuter) wurde durch die Siemens-Schuckert-Werke entworfen und gebaut. Bei seiner Inbetriebnahme 1930 war es eines der größten Kraftwerke Deutschlands und diente der Stromversorgung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es durch sowjetische Truppen demontiert und 1948 während der Luftbrücke mit Unterstützung der Westalliierten wieder aufgebaut. 1953 erhielt es den Namen Ernst Reuter. Drei Jahre später wurde es zum Heizkraftwerk ausgebaut. 2019 erfolgt der Umstieg von Kohle auf Elektrizität.

1948 | Imchenplatz / Imchenallee, Kladow

Foto: Alois Bankhardt | Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (02) Nr. 0082485

Verladen von Kohle auf Lastkähne während der Blockade

Für fast elf Monate bestand die Berliner Luftbrücke zur Versorgung der Stadt durch alliierte Flugzeuge. Neben den Flughäfen Tempelhof und Tegel diente auch der Flugplatz Gatow im britischen Sektor als Umschlagplatz. Bei den Gütern handelte es sich vor allem um Lebensmittel und Kohle. Die Kohle wurde mit Lastwagen zum Hafen in Kladow gebracht und für den Weitertransport auf Schiffe verladen. Die Entladung der auf der Havel landenden Sunderland-Flugboote erfolgte direkt in Kladow.

1961 | Papenberger Weg, Hakenfelde

Foto: BEWAG-Berlin | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Neubau des Kraftwerks Oberhavel

Das Kraftwerk Oberhavel wurde in den Jahren 1913 bis 1914 von der Brandenburgischen Kreiselektrizitätswerke GmbH erbaut. Es erfuhr mehrfach Erweiterungen, bis es 1929 die BEWAG übernahm. Der schweren Beschädigung im Zweiten Weltkrieg und der Demontage 1945 folgte zuerst ein partieller Wiederaufbau. Diesen ersetzte 1961 ein Neubau, der doppelt so leistungsfähig wie das ursprüngliche Werk war. 2001 wurde das Kohlekraftwerk stillgelegt und bis 2009 abgerissen.

1962 | Lutoner Straße, Staaken

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Letzte Fahrt zur Müllkippe Egelpfuhl

Die Müllkippe Egelpfuhl entstand 1928. Es wurden vor allem beim Torfabbau entstandene Teiche mit Industrie- und Hausmüll befüllt. Über zwei Millionen Wagenladungen kamen über die Jahre auf die Deponie. Zahlreiche Anwohnende beschwerten sich über das Anwachsen der Müllberge und die Geruchsbelästigung. Ein Artikel im Spandauer Volksblatt kommentierte die Stilllegung 1962 so: „Die letzte Fuhre Müll wurde gestern auf Spandaus größtem Schandfleck, dem Egelpfuhl, abgeladen.“

1963 | Freiheit, Spandau

Foto: Heinz Hoffmeister | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Bau des Klärwerks Ruhleben

Auf dem Gelände der ehemaligen Trabrennbann Ruhleben steht seit 1963 eines von sechs Klärwerken der Berliner Wasserbetriebe. Es ist die größte der sechs Anlagen und befindet sich als einziges im Stadtgebiet. Das Wasser wird in zwei Stufen gereinigt und in Spree oder Havel geleitet. Der entstehende Schlamm wird verbrannt und der Dampf in Elektrizität umgewandelt. Mit der stetigen Weiterentwicklung wurde auch die Abwasserverrieselung auf den Rieselfeldern in Gatow schrittweise bis 2010 eingestellt.

1978 | Freiheit, Spandau

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Klärwerk und Müllverbrennungsanlage an der Spree

Östlich vom Klärwerk befindet sich das 1967 in Betrieb genommene Müllheizkraftwerk Ruhleben. Mit der Vernichtung von Abfall bot es bereits damals eine willkommene Alternative zu traditionellen Müllkippen. Es gehört zur Berliner Stadtreinigung und verarbeitete 2017 mehr als zwei Drittel des gesamten Berliner Abfalls. Durch die Verbrennung des Mülls wird Wasser erhitzt und der entstehende Dampf in das Kraftwerk Reuter zur Gewinnung von Strom und Fernwärme geleitet.

1984 | Großer Spreering, Siemensstadt

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Heizkraftwerk Reuter West im Bau

Im Kraftwerk Reuter West werden in zwei Kraftwerksblöcken durch das Verbrennen von Steinkohle und die Erhitzung von Wasserdampf Turbinen angetrieben. Durch diesen Prozess entstehen seit der Inbetriebnahme der Anlagen 1987/1989 Elektrizität und Fernwärme. Als leistungsstärkstes Kraftwerk Berlins versorgte es 2019 rund 1.000.000 Wohnungen mit Strom und 400.000 mit Wärme. Gemäß der Vorgaben Berlins plant der Betreiber Vattenfall bis 2030 den Kohleausstieg.

1985 | Rieselfelder, Gatow

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Riesenfelder Karolinenhöhe

Bereits 1890 wurden die Rieselfelder Karolinenhöhe zum Versickern von Berliner Abwasser genutzt. Zuerst erzielte die Landwirtschaft durch den Düngeeffekt höhere Erträge. Doch eine zu große Menge und zu hohe Frequenz der Verrieselung seit den 1920er-Jahren hatte einen gegenteiligen Effekt. Erst mit dem Ausbau der Berliner Klärwerke ab den 1960er-Jahren wurden Teile der Felder schrittweise stillgelegt. 2010 endete die Abwassernutzung auf den Rieselfeldern Karolinenhöhe endgültig.

Märkte und Geschäfte

Trödelmarkt. Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau. Stadtgeschichtliches Museum Spandau

1929 | Pichelsdorfer Straße / Betckestraße, Wilhelmstadt

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Der letzte Pferdemarkt in Spandau

Am 29. März 1929 fand der letzte Spandauer Pferdemarkt an der Pichelsdorfer Straße statt. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1879 waren auf rund fünf Hektar Land an 1200 Ständen Pferde gehandelt worden. Doch mit der in den 1920er Jahren zunehmenden Motorisierung lösten Motorrad, Automobil und LKW das Pferd als Transportmittel ab. Auf dem einstigen Marktgelände entstanden hunderte Kleinwohnungen. Pferdemärkte in Berlin gab es fortan nur noch in Charlottenburg und Weißensee, bis auch diese in den 1930er Jahren schlossen.

um 1955 | Neuendorfer Straße, Spandau

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Feinbäckerei Tschierschke

Das Ehepaar Tschierschke betrieb zwischen 1951 und 1965 eine Feinbäckerei in der Neuendorfer Straße. Die üppigen Auslagen im Schaufenster und der frische Brötchenduft zogen täglich Kundschaft an. Auch die Schultheiss-Brauerei, die direkt gegenüber dem Laden lag, bestellte bei Tschierschkes Backwaren. Großbäckereien machten dem Familienbetrieb jedoch zunehmend Konkurrenz, weshalb er wie viele andere kleine Bäckereien schließen musste.

1957 | Breite Straße / Markt, Spandau

Foto: Bezirksbildstelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Das Kaufhaus Sternberg

Mit dem 725-jährigen Jubiläum Spandaus feierte das Kaufhaus Sternberg 1957 sein hundertjähriges Bestehen. Julius Sternberg (1879-1971) führte das Warenhaus in der dritten Generation. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten gerieten er und seine jüdische Familie zusehends in Bedrängnis. 1938 zum Verkauf des Geschäftshauses gezwungen, gelang ihnen 1939 die Flucht nach Kolumbien. Nach ihrer Rückkehr in den 1950er Jahren übernahm Julius Sternberg erneut die Leitung des Kaufhauses. Antisemitische Anfeindungen brachten ihn jedoch zum endgültigen Verkauf. Im selben Gebäude befindet sich heute die Sparkasse.

1961 | Siemensdamm, Siemensstadt

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Der erste deutsche Supermarkt

Im Oktober 1961 eröffnete das „Kaufzentrum Siemensstadt“. Es war Deutschlands erstes Shopping-Center nach US-amerikanischem Vorbild. Wetterunabhängig konnten Kund*innen ihren Einkäufen nachgehen. Unter den 30 Geschäften auf einer Fläche von rund 7500 m² waren auch zwei Lebensmittelgeschäfte mit Selbstbedienung und Laufband an der Kasse. Die moderne Ausstattung und das große, vielfältige Warenangebot beeindruckten die Kundschaft. Der Startschuss für den flächenweiten Bau von Einkaufszentren in der Bundesrepublik war gefallen.

1975 | Carl-Schurz-Straße, Spandau

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Schokoladenwaage

Am 10. Oktober 1975 ließ sich der damalige Spandauer Bezirksbürgermeister Dr. Herbert Kleusberg in einer Waagschale im Kaufhaus Hertie mit Schokolade aufwiegen. Diese wurde im Anschluss an Spandauer Heimkinder verteilt. Anlass für das unterhaltsame Event war das zehnjährige Jubiläum des Warenhauses in der Spandauer Altstadt. 1965 gebaut und 1971 mit einem Anbau erweitert bot es ein riesiges Angebot auf 15 000 m² Verkaufsfläche. Das Warenhaus existiert bis heute als eine von (noch) elf Karstadt-Filialen in Berlin.

1976 | Breite Straße, Spandau

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Fußgängerzone Altstadt-Spandau

Mit Einkaufstüten bepackte Passanten drängen sich vorbei an Kaufhäusern und Geschäften durch die Spandauer Altstadt. Diese war an den Sonnabenden im Advent autofrei, um sicher Einkäufe erledigen zu können. Die Umgestaltung der Altstadt zur Fußgängerzone begann zwei Jahre darauf, 1978. Sie löste die Stadtplanung der autogerechten Stadt in den Nachkriegsjahrzehnten ab. Mit der Fertigstellung der Fußgängerzone 1989 wurde die Altstadt wieder zum urbanen Zentrum des Bezirks. Sie wird derzeit erneut im Rahmen des vom Senat verabschieden Programms Städtebaulicher Denkmalschutz durch eine Umgestaltung aufgewertet.

1985 | Askanierring, Spandau

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Trödelmarkt

Auf dem Flohmarkt am Askanierring herrschte stets reges Treiben. Neben Geschirr, Lampen, Töpfen und allerlei anderen Haushaltsgegenständen wurden auch Bücher, Kleidung und technische Geräte feilgeboten. Die Straße läuft bogenförmig, entlang der ehemaligen Festungsanlagen nördlich der Altstadt. In der angrenzende Neustadt war in den 1980er Jahren günstiger Wohnraum verfügbar. Neben sichtbarer Armut prägte eine alternative Szene mit Kreativität und Solidarität das Straßenbild. Der Flohmarkt führte Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen, ermöglichte Austausch von Waren und Kultur.

1989 | Carl-Schurz-Straße, Spandau

Foto: Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

„Nachholbedarf“

Mit dem Mauerfall am 9. November 1989 erlebte West-Berlin einen enormen Zustrom von Ost-Berliner und Brandenburger Besucher*innen. In den folgenden Wochen kam es in Spandau zu Staus auf den Straßen und langen Schlangen vor den Banken, wo DDR-Bürger*innen ein Begrüßungsgeld von 100 D-Mark erhielten. Dieses investierten viele in Waren, an denen es in der DDR mangelte. Viele Geschäfte hatten über den eigentlichen Ladenschluss hinaus geöffnet, um dem Ansturm gerecht zu werden. Südfrüchte waren der Renner. Obsthändler*innen verkauften innerhalb weniger Stunden hunderte Kilo Bananen und Orangen.

1989 | Markt, Spandau

Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Spandauer Weihnachtsmarkt

Jährlich standen die Besucher*innen dicht gedrängt auf dem Spandauer Weihnachtsmarkt. Im Dezember 1973 wurde der erste „Spandower Weihnachtsmarkt“ in den Straßen der Spandauer Altstadt veranstaltet. Der mittelalterlich inspirierte Markt bietet bis heute mit über 250 Ständen eine große Auswahl kunsthandwerklicher Produkte in Berlins größter Fußgängerzone rund um die Kirche St. Nikolai. Die Fichte auf dem Markt stammt traditionell aus dem Fichtelgebirge. Nach dem Mauerfall 1989 bewunderte eine besonders große Menge an Besucher*innen den Markt.

2001 | Brunsbütteler Damm, Spandau

Foto: Heiko Metz | Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Spandau Arcaden

Im November 2001 eröffneten die Spandau Arcaden. Die Shopping Mall liegt direkt neben dem Bahnhof Spandau südlich der Altstadt. Tausende neugierige Besucher*innen warteten vor der Pforte, bis das Einkaufscenter seine Tore öffnete. Mit 125 Geschäften, darunter vielen bekannten Marken, und zwei großen Parkhäusern sind die Spandau Arcaden ein großer Anziehungspunkt und das größte Einkaufszentrum im Westen Berlins. Bisher ergänzten sich die Arcaden und die Läden der Fußgängerzone in der Altstadt. Die Zunahme des Online-Handels und die gesunkene Kaufkraft der Spandauer*innen lassen den Konsum generell zurückgehen.