Die Einrichtung eines Archivs im Obergeschoss des Palas geht auf die 1978 vom Senat beschlossene Nutzungskonzeption für die Zitadelle zurück. Diese sah vor, die Zitadelle bis zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 zu einem kulturellen Zentrum auszubauen. Dem Museumsarchiv, in dem seit 1977 die Bestände des Ratsarchivs, Magistratsakten, Karten, Pläne und private Nachlässe archiviert wurden, kam dabei eine besondere Bedeutung zu. Es sollte dem Spandauer Heimatmuseum für die wissenschaftlich-inhaltliche und konzeptionelle Ausarbeitung eines lebendigen, modernen Stadtgeschichtlichen Museums dienen. Als Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau wurde es feierlich am 18. November 1983 im neu restaurierten Palas eröffnet und dient seit nunmehr 40 Jahren allen historisch Interessierten zur Forschung.

Richtfest des restaurierten Palas, Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau, 9. Oktober 1981

Das Dachgeschoss des Palas war für die Unterbringung des Archivs des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau aus statischen und feuerschutztechnischen Gründen mit dem Einbau einer Stahlbetondecke sowie einem Zugang im Obergeschoss ertüchtigt worden.

Ein Großteil der Archivbestände ist jedoch wesentlich älter und war im Ratsarchiv der bis 1920 selbständigen Stadt verwahrt. Die ältesten Archivalien reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück und geben Zeugnis von der Tätigkeit der Spandauer Stadtverwaltung. Diese beschäftigte spätestens seit 1434 einen Stadtschreiber, der sowohl für die Anfertigung der Urkunden, Protokolle und weiteren Schriftstücke der Stadt wie auch ihre sichere Aufbewahrung verantwortlich war.

Das Archiv wird erstmals in dem 1744 angelegten Urbarium, das alle Liegenschaften der Stadt aufführt, erwähnt. Es war in einem großen Gewölberaum im Erdgeschoss des Rathauses untergebracht und diente der Ablage alter Urkunden, Akten und Rechnungen der Stadt. Die aktuellen Akten wurden hingegen in der Registratur im oberen Stockwerk bearbeitet. Einen Registrator stellte der Rat allerdings erst 1775 ein. Dieser legte nach dem Abriss des in den Befreiungskriegen stark beschädigten und 1818 wiederaufgebauten Rathauses von 1825 bis 1827 ein Verzeichnis der Urkunden, der Akten der Stadtverordnetenversammlung und eine neue Magistratsregistratur an.

Beschreibung der Lage des Archivs im alten Rathaus am Markt im Urbarium oder Corpus Bonorum der Stadt Spandau durch den Hofrat und Stadtsekretär George Christoph Sanno, 1744

„ein Gewölbe mit zwey eisernen Thüren, worinen acta von abgethanen Sachen und sonst zum Rath-Hause gehörige dinge vorhanden.“

Erste Erwähnung des Ratsarchiv im Urbarium von 1744

 

Das Archiv lag im Erdgeschoss des Rathauses. Es war über den Eingang an der Klosterstraße zu erreichen, indem man zunächst das als „Bürger Gehorsam“ bezeichnete Männergefängnis, dann das „Plauder-Tasche“ genannte Frauengefängnis, einen Brennholzverschlag und einen weiteren mit Latten versehen Raum durchqueren musste. Die Registratur befand sich dagegen im Obergeschoss neben der „Raths-Stube“ und „der Stube wo die Verordneten der Stadt ihre Zusammenkunft halten“.

Aktendeckel und erste Seite des Verzeichnisses der Urkunden des städtischen Archivs in Spandow, 1825/27

Die von 1825 bis 1827 angelegte Akte beinhaltet das älteste Urkundenverzeichnis der Stadt Spandau. Sie hat sich bis heute im Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau erhalten und listet 154 Urkunden von 1232 bis 1732 auf.

Die Quellen geben nicht preis, wann der Umzug des Archivs in das neue Rathaus erfolgte: 1913 mit dessen Einweihung, 1920 mit der Eingemeindung Spandaus nach Groß-Berlin, 1924 mit der Eröffnung des Heimatmuseums oder 1929 mit dem Abriss des alten Rathauses am Markt. Ein neues Verzeichnis der Akten wurde jedenfalls erst 1936/37 angelegt. Die bedeutendsten Urkunden waren unterdessen in die Obhut des Heimatmuseums übergegangen, wie das „Verzeichnis der im Museumsraum vorhandenen Gegenstände“ verrät.

Erste Seite der im „Verzeichnis der im Museumsraum vorhandenen Gegenstände“ aufgeführten Fotografien

Das Verzeichnis zählt bis 1930 660 Fotografien aus der Sammlung des Museums auf. Die älteste Aufnahme von Spandau aus dem Jahr 1840 ist unter der ersten Position festgehalten. Vor der Eröffnung des Heimatmuseums 1924 im Erdgeschoss des Rathauses lagerten die Fotos „unter dem Dach des Rathauses wohl verwahrt in festverschnürten Mappen“ wahrscheinlich seit 1913.

Die jährlich von 1933 bis 1935 veranstalteten Heimatwochen ließen die Sammlung des Museums besonders auf dem Gebiet des Handwerks u.a. mit zahlreichen Dokumenten und Siegeln der Spandauer Innungen anwachsen. Neue Räumlichkeiten zur Unterbringung des Museums wurden 1936 im Heim-Haus am heutigen Reformationsplatz bezogen und zwei Jahre später eröffnet. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Museum geschlossen. Während der Museumspfleger Albert Ludewig (1902–1972) die Objekte vermeintlich im Keller der Freiherr-vom-Stein-Schule in Sicherheit brachte, hatte er die aus seiner Sicht bedeutendsten Archivbestände im Tresor und Keller des Rathauses eingelagert und sie so größtenteils vor der Zerstörung bewahrt.

Bericht des Spandauer Bezirksbürgermeisters an den Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin über die getroffenen Schutzmaßnahmen zur Sicherung des Archivs und der Heimatsammlung im Fall von Luftangriffen, 4. Februar 1944

Das Archiv war im Tresor der Stadtkasse, die dazugehörigen Akten im untersten Keller des Rathauses untergebracht. Da eine Verlagerung ins Umland nicht veranlasst wurde, sind wesentliche Bestände in den letzten Kriegsmonaten, darunter das Spandauer Bürgerbuch von 1600, unwiederbringlich zerstört worden.

„Spandau hat Glück gehabt, daß die vielen Urkunden, Kämmereirechnungen und Ratsakten die Wirren der Zeit, wie Kriege, Stadtbrände und andere Katastrophen überstanden haben“.

Sigurd Hauff, Bezirksstadtrat für Volksbildung in seiner Rede zur Eröffnung des Archivs am 18. November 1983

Nach dem Krieg eröffnete das Museum 1952 mit Unterstützung vieler Ehrenamtlicher seine Pforten im ehemaligen Lazarett des Prinz Heinrich Regiments in der Moritzstraße. Die Verwaltungsbücherei im Rathaus, die die Magistratsakten, verschiedene Urkunden und Akten des Stadtarchivs verwaltete, stellte dem Museum einige Dokumente und Fotos zur Verfügung. 1959 kam das Heimatmuseum auf die Zitadelle, wobei das Archiv zunächst unzulänglich im Keller des Palas deponiert wurde, bevor es seit 1977 in dem Bewusstsein über seine herausragende Bedeutung unter fachlicher Anleitung des Geheimen Staatsarchivs neu geordnet wurde.

Seit der Eröffnung des Archivs 1983 kamen kontinuierlich weitere Dokumente und Abbildungen zur Stadtgeschichte in den Archivbestand: durch die Übernahme u.a. der Verwaltungsbibliothek von der Verwaltungsbücherei des Rathauses, der Zeitungsbände sowie der Film-, Foto- und Diasammlung von der Pressestelle des Rathauses, des Schriftguts von der Bezirksverordnetenversammlung sowie privater Schenkungen. Besonders hervorzuheben sind die Zugänge der Heimatkundlichen Vereinigung Spandau 1954 e.V., mit denen ein besonders wertvoller Beitrag zum Aufbau der Stadtgeschichtlichen Sammlung geleistet wurde. Eine Erweiterung des auf zwei Ebenen im Dachgeschoss des Palas untergebrachten Archivs um eine weitere Etage wurde 2006 notwendig. Zu den größeren Zugängen seither zählen: Unterlagen aus verschiedenen Abteilungen des Bezirksamtes, die Bibliothek des Kant-Gymnasiums, Bibliotheksnachlässe des Interfest e.V., die Fotosammlung des Spandauer Volksblattes sowie weitere Unterlagen des Nachlasses der Verlegerfamilie Lezinsky und der Nachlass des Generalleutnants Joachim-Friedrich Huth (1896–1962).

Innenansichten des Archivs des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau, Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau, 18. September 1984

Ingeborg Tietz, seit 1983 die erste hauptamtliche Mitarbeiterin des Archivs, präsentiert die in den Stahlschränken aufbewahrten Kämmereirechnungen Spandaus von 1463 bis 1728. Sie werden heute in säurefreien Archivkartons gelagert. Der Lesesaal wird seit der Eröffnung des Archivs von zahlreichen Historiker*innen, Beschäftigten des Bezirksamtes, Schüler*innen und Student*innen aber auch von Privatpersonen besucht. Er hat als Fluchtweg einen direkten Zugang zum Juliusturm der Zitadelle.

Schenkungen der Heimatkundlichen Vereinigung Spandau 1954 e.V. an das Stadtgeschichtliche Museum Spandau, Foto: B. Willmer, HKV Spandau 1954, e.V., 2012

Dem Engagement der Heimatkundlichen Vereingung Spandau 1954 e.V., unter der Leitung des Stadtrates für Volksbildung, Emil Steinke, als Kreis der Freunde und Förderer des Heimatmuseums Spandau gegründet und 1999 umbenannt, verdanken das Museum wie auch das Archiv bedeutende Objekte zur Stadtgeschichte: Mittelalterliche Urkunden, die älteste Kämmereirechnung von 1463–1478, über 750 Bücher der Militärbibliothek, diverse Fotografien, Zeichnungen, Familiendokumente und vieles mehr.

Mitarbeiter*innen, Praktikant*innen aber besonders Ehrenamtliche und gemeinnützig Beschäftigte haben seit jeher die Bestände und Neuzugänge des Archivs stetig verzeichnet und aufbereitet. Aus konservatorischen Gründen werden seit 2018 kontinuierlich die Film- und Tonaufnahmen sowie die Zeitungsbände digitalisiert. Seit 2010 versucht das Archiv zudem über digitale Formate, wie museum-digital und Online-Ausstellungen seine Bestände der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Schätze des Archivs des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau können damit zukünftig weltweit eingesehen und zur Forschung verwendet werden.

Flyer zur Ausstellung „Bitte recht freundlich! Spandauer Familien im Spiegel historischer Fotografien“, 2000

Die Ausstellung zeigte eine Auswahl an sehenswerten Aufnahmen eher privaten Charakters aus dem damals etwa 30.000 Fotografien zählenden Bestand des Archiv des Stadtgeschichlichen Museums Spandau. Auf ihnen Familien, Schulklassen, Vereine und Handwerksbetriebe im Bild festgehalten. Die Ausstellung war im Jahr 2000, von Mai bis Dezember im Zeughaus zu sehen.

Flyer und Blick in die Ausstellung des Archivs des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau zum Tag der Archive 2022, Foto: Klaus Lehmann, 6. März 2022

Seit 2020 stellt das Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau seine Bestände und Sammlungen sowie aktuelle Projekte mit einem umfangreichen Programm der Öffentlichkeit vor.