Seit über 50 Jahren existiert das Besuchsprogramm des Berliner Senats. Ehemalige Berliner*innen, die die Stadt aufgrund der Verfolgung im Faschismus verlassen mussten, erhalten seit 1969 die Möglichkeit, ihre alte Heimat wiederzusehen. Über 35.000 Personen, mehrheitlich Menschen jüdischer Herkunft, folgten dem Angebot. Die Ausstellung zeigt, wie sie sich – trotz Vorbehalten und traumatischer Erfahrungen – von überall aus der Welt auf die Reise nach Berlin begeben.

Die Ausstellung wurde von der Senatskanzlei Berlin sowie der Gedenkstätte Deutscher Widerstand erstellt und von der Jugendgeschichtswerkstatt Spandau um jüdische Biographien aus dem Bezirk weiterentwickelt, die hier vorgestellt werden.

Sie sind herzlich eingeladen, die Ausstellung noch bis zum 13. März zu besuchen.

 

   

aktuell – Zeitschrift für ehemalige Berlinerinnen und Berliner, Ausgabe 8/Dezember 1971
aktuell – Zeitschrift für ehemalige Berlinerinnen und Berliner, Ausgabe 8/Dezember 1971,
Foto: Wolfgang Bachmann
Blick in die Havelstraße Richtung Breite Straße
Blick in die Havelstraße Richtung Breite Straße.
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Fred Zeller (1924-1994)

In der Mitte auf der rechten Seite, ist der Durchgang zum Kino Aladin zu sehen. In dem weißen Haus davor im ersten Stock wohnte die Familie Zeller

Fred Zeller wohnte mit seinen Eltern in der Havelstraße 20 und erlebte dort im November 1938 die Pogromnacht. In seinem Tagebuch schildert er diese, seine Kindheit, die beginnende Ausgrenzung der Juden und seine Flucht in die Niederlande bzw. dann weiter nach England.

Auszug aus Fred Zellers Tagebuch
Auszug aus Fred Zellers Tagebuch.
Privatbesitz
Passfoto von Fred Zeller
Passfoto von Fred Zeller
United States Holocaust Memorial Museum

Das Foto wurde im März 1939 aufgenommen. Fred Zeller brauchte es für ein britisches Visum.

Die Eltern von Fred und Lillian Zeller verloren im Holocaust ihr Leben. Die Jugendgeschichtswerkstatt Spandau (JGW) verlegte in Erinnerung an ihr Schicksal die Stolpersteine 2008 vor ihrer alten Wohnung.

Stolpersteine für Heinrich und Fanny Zeller
Stolpersteine für Heinrich und Fanny Zeller
Jugendgeschichtswerkstatt Spandau
Spandauer Markt, an der Ecke zur Breiten Straße das Kaufhaus Pieck, um 1904
Spandauer Markt, an der Ecke zur Breiten Straße das Kaufhaus Pieck, um 1904
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Familie Pieck

Die Familie Pieck betrieb seit 1890 ein Bekleidungsgeschäft. Der Vater Julius Pieck übergab seinem ältesten Sohn Alfred das Geschäft 1920. Er führte es gemeinsam mit seiner Frau Henriette Pieck (geb. Kallner), die als Aufsichtsdame arbeitete, weiter. Svenja Tietz von der JGW nahm im Zuge ihrer Recherche Kontakt mit den Enkelkindern von Alfred und Henriette auf, die sehr engagiert bei der Zusammenstellung der Familiengeschichte halfen. Von ihnen stammen viele Bilder, die in der Ausstellung zu sehen sind, aber online nicht genutzt werden dürfen.

Das Geschäft erfreute sich großer Beliebtheit in Spandau. Doch bereits im August 1933 musste es Alfred an einen Arier zwangsverpachten. Die Verfolgung der Juden im NS-Regime sollte die Familie von nun an stetig begleiten. Sie flüchteten 1939 nach England und 1940 weiter in die USA.

Das Kaufhaus Pieck am Markt Ecke Breite Straße, um 1905
Das Kaufhaus Pieck am Markt Ecke Breite Straße, um 1905
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Anfrage von Henriette Pieck, am Besuchsprogramm des Berliner Senats teilnehmen zu dürfen, 1973
Anfrage von Henriette Pieck, am Besuchsprogramm des Berliner Senats teilnehmen zu dürfen, 1973
Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin – Senatskanzlei

Henriette Pieck stellte 1973 eine Anfrage an den Berliner Senat, um an dem Besuchsprogramm teilzunehmen. Sie verstarb 1979 vor der Realisation dieses Wunsches. Das Besuchsprogramm war also durchaus eine Aktion, die Menschen bewegte und die alte Liebe zu Spandau wiedererwecken konnte. An ihrer statt besuchte ihre Tochter Ilse mit ihrem Mann 1986 Berlin.

Horst Widawski (1925-2016)

Horst ist hier 10 Jahre alt und ahnt noch nicht wie dramatisch sein Leben sich bald ändern wird.

Horst Widawski vor seiner Grundschule in Staaken, 1935
Horst Widawski vor seiner Grundschule in Staaken, 1935
Privatbesitz
Horst Widawski (in England: John Pierce) mit einem Foto seines Vaters Josef Widawski
Horst Widawski (in England: John Pierce) mit einem Foto seines Vaters Josef Widawski
Privatbesitz

Sein Vater Josef Widawski schickte Horst im Dezember 1938 auf einen Kindertransport nach England. Josef Widawski selber wurde im Zuge der sog. 2. Polenaktion im September 1939 in das KZ-Sachsenhausen gebracht und dort ermordet.

v.l.n.r.: Linda, Horst (John Pierce), Clive auf dem Arm seines Vaters, Maria (ehemalige Freundin des Vaters und Horsts Mutterfigur nach dem Tod der leiblichen Mutter 1930) und zwei weitere Kinder von Linda und Horst, Michael und Maureen

Familienfoto von Horst Widawski (John Pierce), Berlin 1964
Familienfoto von Horst Widawski (John Pierce), Berlin 1964
Privatbesitz