1946 erhielt Erich Lezinsky als einer der ersten deutschen Verleger nach dem Zweiten Weltkrieg von der britischen Militärregierung die Lizenz zur Herausgabe einer neuen Tageszeitung, dem Spandauer Volksblatt. Fortan führte die Familie Lezinsky über mehr als 50 Jahre die Geschicke des Verlages und das Volksblatt entwickelte sich zu einer der auflagenstärksten Tageszeitungen Berlins. 2021 überließ der Enkel des Verlagsgründers, Olaf Lezinsky, dem Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau in insgesamt 15 Umzugskartons ein umfangreiches Konvolut an Dokumenten. In Ergänzung eines bereits seit 2005 im Archiv befindlichen Depositums ermöglicht dieser Bestand nun einen sehr detaillierten und spannenden Einblick in die Geschichte des Verlages und des Volksblattes, aber auch in das geschäftliche und private Leben der Verlegerfamilie Lezinsky.

Jubiläumsausgabe 75 Jahre Spandauer Volksblatt, 05.05.2021
Jubiläumsausgabe 75 Jahre Spandauer Volksblatt, 5. Mai 2021
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Transkription eines Briefes von Erich Lezinsky an seine Familie während seiner Haft im KZ Brandenburg 1933
Transkription eines Briefes von Erich Lezinsky an seine Familie während seiner Haft im KZ Brandenburg 1933
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Der 1886 in Gorgast geborene Erich Lezinsky begann bereits 1904 seine Arbeit als Buchdrucker in Berlin. Er diente als Soldat im Ersten Weltkrieg und begann in den 1920er Jahren seine Arbeit im Spandauer Zeitungswesen. Als überzeugter Sozialdemokrat und aktiver Politiker hatte er stark unter Repressionen durch das NS-Regime zu leiden und war zeitweise im KZ Brandenburg und später in Sachsenhausen inhaftiert.

Als einer der ersten Verleger Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Erich Lezinsky von der britischen Militärregierung am 26. Februar 1946 die Lizenz zur Herausgabe einer Tageszeitung. Lezinsky wurde zuvor hinsichtlich seiner Tätigkeiten während der Zeit des Nationalsozialismus überprüft und als politisch unbelastet eingestuft, was eine Voraussetzung für die Lizenzerteilung war.

Kopie der Zulassung Erich Lezinskys zur Herausgabe des Spandauer Volksblattes durch das Military Government-Germany, 1946
Kopie der Zulassung Erich Lezinskys zur Herausgabe des Spandauer Volksblattes durch das Military Government-Germany, 1946
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Kopie der Aufteilung des Inventars des Druckhauses Stückrath & Co., Berlin-Spandau von 1947
Kopie der Aufteilung des Inventars des Druckhauses Stückrath & Co., Berlin-Spandau von 1947
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Erich Stückrath verlegte einst die Spandauer Zeitung in der Neuendorfer Straße 101. Stückrath war bereits während des Zweiten Weltkrieges nach Konstanz umgezogen und Erich Lezinsky erwarb das Inventar des Druckhauses Stückrath & Co. Er nutzte dieses ab 1946 zur Herausgabe seines Spandauer Volksblattes.

Kurt Lezinsky heiratete am 14. Mai 1949 die Tochter des Spandauer Gastronomen Ludwig Metzler. Die Hochzeitszeitung erschien damals als Volksblatt Sonderausgabe und zeigt die enge Verbundenheit der Familie mit ihrer Arbeit und den Kolleg*innen im Verlag.

Hochzeitszeitung „Volksblatt Sonderausgabe“ Kurt und Ingrid Lezinsky
Hochzeitszeitung „Volksblatt Sonderausgabe“ Kurt und Ingrid Lezinsky
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Gästebuch des „Haus Metzler“
Gästebuch des „Haus Metzler“
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Die Eltern Ingrid Below-Lezinskys, Ludwig und Gertrud Metzler, führten einen Gastronomiebetrieb am Hohenzollernring in Spandau. Der aus dem Saarland stammende Ludwig Metzler war auch Präsident der Brillat-Savarin-Stiftung zur Förderung der Hotellerie und der Gastronomie. Im „Haus Metzler“ waren einige bedeutende Persönlichkeiten zu Gast, was der Inhaber stolz in diesem Gästebuch festhielt. Unter anderem verewigte sich die deutsche Fußballnationalmannschaft von 1951 mit Trainer Sepp Herberger, der drei Jahre später den WM-Titel holte.

Nach dem Tod Kurt Lezinskys 1967 übernahm dessen Ehefrau Ingrid die Herausgabe des Spandauer Volksblattes. 1970 heiratete sie den Schauspieler Joachim Below, behielt den Familiennamen ihres ersten Mannes aber ebenfalls bei. Somit finden sich auch Dokumente und Fotografien aus dem Leben Joachim Belows im Konvolut wieder.

Joachim Below am einstigen Theater in Guben in seiner Rolle als Marquis de Villar in dem Stück „Kampf dem Kongress“, 1935
Joachim Below am einstigen Theater in Guben in seiner Rolle als Marquis de Villar in dem Stück „Kampf dem Kongress“, 1935
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Illustration von Olaf Lezinsky im Spandauer Volksblatt „Extra für Kinder“, 25. August 1974
Illustration von Olaf Lezinsky im Spandauer Volksblatt „Extra für Kinder“, 25. August 1974
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Auch die Kinder von Kurt und Ingrid Lezinsky kamen früh mit der Arbeit im Verlag in Berührung. Sie veröffentlichten zum Teil eigene Artikel im Volksblatt. In den 1970er Jahren lag dem Volksblatt ein „Extra für Kinder“ mit Zeichnungen und Geschichten der besonders jungen Spandauer*innen bei. Bereits damals veröffentlichte der elfjährige Olaf Lezinsky hier unter anderem mehrere Piratengeschichten, die er auch eigens illustrierte. Heute führt Olaf Lezinsky den Verlagsservice Lezinsky und übernimmt damit die Anzeigenakquise des Spandauer Volksblattes, das nunmehr Teil der FUNKE Berlin Wochenblatt GmbH ist.

In der Öffentlichkeit war das Spandauer Volksblatt sehr beliebt. Ab den frühen 1980er Jahren versuchte der Verlag mit dem Volksblatt Berlin auch auf die anderen Westberliner Bezirke zu expandieren, was langfristig jedoch nicht gelang.

Werbeentwurf Volksblatt Berlin auf Glasplatte, vmtl. Anfang 1980er Jahre
Werbeentwurf Volksblatt Berlin auf Glasplatte, vmtl. Anfang 1980er Jahre
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Anzeige zu einer Atlantik-Mittelmeer-Erlebniskreuzfahrt im Rahmen der Lesereisen des Spandauer Volksblattes Berlin, 1982
Anzeige zu einer Atlantik-Mittelmeer-Erlebniskreuzfahrt im Rahmen der “Leserreisen” des Spandauer Volksblattes Berlin, 1982
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Ebenfalls sehr beliebt waren die von Ingrid Below-Lezinsky organisierten “Leserreisen”, die im Volksblatt beworben wurden. Ab 1980 begleitete sie ihre Leser*innen unter anderem nach Japan, Florida, Dakar, in die Sowjetunion, nach Südafrika sowie auf unzählige Kreuzfahrten.

Wie viele Tageszeitungen kämpfte auch das Volksblatt ab den späten 1980er Jahren mit rückläufigen Leserzahlen. Deshalb wurde der Axel-Springer-Verlag am Familienunternehmen beteiligt. 1992 erfolgte die Umstellung auf eine wöchentliche Erscheinungsform und 1994 wurde aus dem Volksblatt eine kostenfreie Zeitung, die sich nunmehr vor allem über Anzeigen finanzierte.

Beglaubigte Abschrift der notariellen Urkunde zur Beteiligung des Axel Springer-Verlages am Erich Lezinsky Verlag, 24. Mai 1989
Beglaubigte Abschrift der notariellen Urkunde zur Beteiligung des Axel-Springer-Verlages am Erich Lezinsky Verlag, 24. Mai 1989
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau