Spandau als Militärstadt war geprägt von Festungsanlagen, Rüstungsbetrieben, Kasernen, Exerzierplätzen und Schießständen. Kaum bekannt ist, dass sich hier auch die Lehr-Zucht- und Versuchsanstalt für Heeresbrieftauben befand. Für die etwa 120.000 im Krieg getöteten Brieftauben gab es seit 1939 ein Ehrenmal in Spandau. Dessen bronzene Tauben wurden 1942 eingeschmolzen, der Gedenkstein selbst 1963 versetzt.

Das Künstlerduo Pigeon Loft entwickelte im vergangenen Jahr die Audio-Installation #Gurren und Zwitschern, die am Standort des ehemaligen Denkmals die Geschichte der Heeresbrieftauben in den Kontext der Spandauer Stadtentwicklung und die Brieftaubenzucht stellte.

Die Soundcollage ist nochmal am 6. März um 13 Uhr und 16 Uhr im Hof der Bastion Kronprinz zu hören.

Flyer zur Audio-Installation zum Denkmal für die Brieftauben 1914-1918. Pigeon Loft
Flyer zur Audio-Installation zum Denkmal für die Brieftauben 1914-1918
Pigeon Loft
Taubenschlaghaus der Lehr-Zucht- und Versuchsanstalt für Heeresbrieftauben, um 1912
Taubenschlaghaus der Lehr-Zucht- und Versuchsanstalt für Heeresbrieftauben, um 1912
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Die Lehr-Zucht- und Versuchsanstalt für Heeresbrieftauben verlegte ihren Sitz 1900 von Köln nach Spandau. Ihr Taubenhaus stand, wo heute die Flankenschanze den Falkenseer Damm kreuzt. Für die Anlage und den Ausbau des Letzteren wurde das Taubenhaus 1958 abgerissen, nachdem das Heerestaubenwesen 1945 eingestellt worden war.

Der fahrbare Taubenschlag war in der Versuchsanstalt für den massenhaften Einsatz der Heeresbrieftauben an der Kriegsfront entwickelt worden.

Fahrbarer Taubenschlag der Lehr-Zucht- und Versuchsanstalt für Heeresbrieftauben, 1914-1918, Foto: Gustav Lamprecht
Fahrbarer Taubenschlag der Lehr-Zucht- und Versuchsanstalt für Heeresbrieftauben, 1914-1918
Foto: Gustav Lamprecht
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Heeresbrieftaube mit einer Federdepeschenhülse, 1914-1918, Foto: Gustav Lamprecht
Heeresbrieftaube mit einer Federdepeschenhülse, 1914-1918
Foto: Gustav Lamprecht
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Die Nachrichten überbrachten die Brieftauben in sogenannten Depeschenhülsen, die sie auf dem Rücken oder am Bein trugen.

Eine deutsche Heeresbrieftaube sollte „im Besitz starker Muskeln, feuriger Augen, weißer Augenränder und stolzer Haltung sowie breiter und kräftiger Schwingen und eines glänzendes Federkleides sein“.

Eine Heeresbrieftaube während ihres Einsatzes im Ersten Weltkrieg, 1914-1918
Eine Heeresbrieftaube während ihres Einsatzes im Ersten Weltkrieg, 1914-1918
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Das Ehrenmal für die Brieftauben 1914-1918 im Wröhmännerpark, um 1940
Das Ehrenmal für die Brieftauben 1914-1918 im Wröhmännerpark, um 1940
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Die Enthüllung des Ehrenmals fand am 20. August 1939 statt, wenige Tage vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Für diesen wurden die 25 fliegenden Brieftauben aus Bronze von dem etwa vier Meter hohem Gedenkstein bereits drei Jahre später demontiert und als Kriegsmetall-Spende eingeschmolzen.

Die Grundsteinkassette des Ehrenmals für die Brieftauben 1914-1918 wurde bei der Versetzung des Findlingsblocks im Jahr 1963 geborgen und mit ihrem Inhalt dem Stadtgeschichtlichen Museum Spandau übergeben.

Grundsteinkassette des Ehrenmals für die Brieftauben 1914-1918
Grundsteinkassette des Ehrenmals für die Brieftauben 1914-1918
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Ausschnitt aus einem Stadtplan des Vermessungsamtes Spandau mit dem Standort des Findlings vom ehemaligen Ehrenmal für die Brieftauben 1914-1918, 1956
Ausschnitt aus einem Stadtplan des Vermessungsamtes Spandau mit dem Standort des Findlings vom ehemaligen Ehrenmal für die Brieftauben 1914-1918, 1956
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Das Ehrenmal für die Brieftauben 1914-1918 war im bei den Spandauer*innen beliebten Wröhmännerpark an der Havel an einer gut sichtbaren Stelle errichtet worden.

Die Audio-Installation #Gurren und Zwitschern war in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Standortes des Ehrenmals für die Brieftauben 1914-1918 zu hören. Zentrales Element der Installation war eine leuchtrote Bankplattform um einen Baum, in dem eben solche roten Taubenattrappen befestigt waren. Aus den in der Bank und im Baum installierten Lautsprechern, erklang die Soundcollage.

Entwurf der Gestaltung zur Audio-Installation, 2021. Pigeon Loft
Entwurf der Gestaltung zur Audio-Installation, 2021
Pigeon Loft
Der „Pigeon tree“ zu #Gurren und Zwitschern im Wröhmännerpark im Juli 2021. Pigeon Loft
Der „Pigeon tree“ zu #Gurren und Zwitschern im Wröhmännerpark im Juli 2021
Pigeon Loft

Neben dem „Pigeon tree“ gab es an einem weiteren Baum im Park eine zweite Soundstation, die auch Twitter-Nachrichten an #gurrenundzwitschern von Besucher*innen wiedergab, um neue Narrative zum Heeresbrieftaubenwesen zu entwickeln.

Das Spandauer Bezirksamt ließ 1963 auf Initiative von Spandauer Bürger*innen den Findling des ehemaligen Denkmals mit zehn neu gestalteten Brieftauben versehen und am 19. Mai des Jahres als Denkmal für alle Brieftauben neu einweihen. Ende 1992 wurde es an den Standort der ehemaligen Lehr-Zucht- und Versuchsanstalt für Heeresbrieftauben umgesetzt.

Das Denkmal für die Brieftaube, 21. Oktober 1970, Foto: Claus Rehfeld
Das Denkmal für die Brieftaube, 21. Oktober 1970
Foto: Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau