Im Zuge der aktuellen Debatte um die Aufarbeitung des Kolonialismus befasst sich ein Projekt des Arbeitskreises der Berliner Regional- und Bezirksmuseen mit der lokalen Kolonialgeschichte der Berliner Stadtbezirke. Die Historikerin Cornelia von Heßberg hat erste Forschungsergebnisse zu kolonialen Bezügen Spandaus zusammengetragen, die äußerst vielfältig sind. Sie umfassen militärische und zivile Akteur*innen, Institutionen, Organisationen sowie die Privatwirtschaft.

Die Erschließung kolonialer Kontexte Spandaus befindet sich noch im Anfangsstadium und wird in diesem Jahr fortgesetzt. Wenn ihre eigene Biografie bzw. die ihrer Familie Bezüge zum Kolonialismus aufweist oder Sie uns Hinweise zum Kolonialismus in Spandau geben können, nehmen Sie gern mit uns Kontakt auf. Wir freuen uns über Ihre Geschichten zum Thema.

Auszug aus der Spandauer Magistratsakte "Krieg in China"
Auszug aus der Spandauer Magistratsakte “Krieg in China”
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Fahne des Kolonievereines Tsingtau
Fahne des Kolonievereines Tsingtau
Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Der 1902 gegründete Kleingartenkolonieverein Tsingtau (Qingdao) wurde nach der damaligen Hauptstadt der deutschen Kolonie im Süden Chinas benannt. Die Fahne fertigten vermutlich die Frauen des Vereins für ein Sommerfest zu dessen 50-jährigen Bestehen 1952 an.

Die Ehrenurkunde erhielt Herr Wilhelm Müller als Ehrenmitglied des Kleingartenvereins Tsingtau in dankbarer Anerkennung für seine 25-jährige Mitgliedschaft.

Der Kleingartenverein existiert heute, wenn auch um einige Parzellen verkleinert, am Hohenzollernring.

Ehrenurkunde des Kleingartenvereins Tsingtau
Ehrenurkunde des Kleingartenvereins Tsingtau
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Akte des Spandauer Magistrats über den Krieg in China
Akte des Spandauer Magistrats über den Krieg in China
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau

Die Akte enthält Informationen über die Abschiedsfeierlichkeiten und die Maßnahmen zur Unterstützung für die im Sommer 1900 von Spandau aus in den sogenannten „Boxeraufstand“ ziehenden freiwilligen Truppen. Zahlreiche Institutionen wie etwa das Rote Kreuz und Vereine wie der „Vaterländische Frauenverein“ sammelten Gelder und veranstalteten Basare zugunsten des „Ostasiatischen Expeditionskorps“.

Im Sommer 1900 zogen zahlreiche Soldaten, die sich höchstwahrscheinlich aus dem Brandenburgischen Train-Bataillon Nr. 3 und dem 5. Garde-Regiment zu Fuß rekrutierten, von Spandau aus in den „Boxeraufstand“. Dieses Themengebiet ist noch relativ unerforscht. Es ist allerdings bekannt, dass auch zahlreiche Waffen und Munition aus der Spandauer Produktion zur Unterstützung des aus Freiwilligen bestehenden Expeditionskorps nach China entsandt wurden.

Bilder von den Mobilmachungsarbeiten für das „Ostasiatische Expeditionskorps“ in Spandau, 1900, Foto: Martin Zimmermann
Bilder von den Mobilmachungsarbeiten für das „Ostasiatische Expeditionskorps“ in Spandau, 1900
Foto: Martin Zimmermann
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Reduktion des Pionierdenkmals mit dem Standbild von Carl Klinke
Reduktion des Pionierdenkmals mit dem Standbild von Carl Klinke
Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Die Enthüllung des Denkmals nach einem Entwurf von Wilhelm Wandschneider fand am 31. Mai 1908 statt. Es steht bis heute an der Kreuzung der Schönwalder Allee mit dem Hohenzollernring. Das Standbild zeigt den im Deutsch-Dänischen Krieg gefallenen Pionier Karl Klinke. Es ehrt die in den Deutschen Einigungskriegen 1864, 1866 und 1870/71 sowie in den kriegerischen Auseinandersetzungen in den deutschen Kolonien gefallenen Soldaten des Pionier-Bataillons von Rauch.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts boten in Spandau die ersten Verkaufsläden sogenannte „Colonialwaren“ an. Der Handel mit den aus Übersee importierten Genussmitteln wie Kaffee und Tabak als auch mit Lebensmitteln wie Reis und Zucker war ein Aushängeschild, mit dem man gerne warb. Denn die meisten Händler*innen boten nicht ausschließlich „Colonialwaren“ an, sondern alles was für den täglichen Bedarf notwendig war.

Schild „Colonialwaren“
Schild „Colonialwaren“
Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Kaffeetüten, Pralinendose der Gebrüder Stollwerck A.G. und Kuchendose der Kakao- und Schokoladenfabrik Theodor Hildebrand & Sohn
Kaffeetüten, Pralinendose der Gebrüder Stollwerck A.G. und Kuchendose der Kakao- und Schokoladenfabrik Theodor Hildebrand & Sohn
Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Kaffee, Tee oder Kakao wurden vorwiegend in kleinen Tüten verkauft. Die darauf gedruckten Motive zeigen die zur Kolonialzeit gebräuchliche rassistische Darstellung schwarzer Menschen als exotische Diener*innen. Kakao war und ist unverzichtbarer Rohstoff in der Süßwarenproduktion und wurde aus den deutschen Kolonien importiert. Auch die Kakao- und Schokoladenfabrik Theodor Hildebrand & Sohn, die seit 1888 ihren Sitz in der Pankstraße im Wedding hatte, bezog ihn in großen Mengen.

Laut den ersten Forschungsergebnissen zur Kolonialgeschichte Spandaus handelte es sich bei der Marine- und Kolonialtruppenkameradschaft Spandau 1890 (e.V.) um eine Vereinigung zweier Vereine. Der 1910 gegründete Verein ehemaliger Kolonialtruppen Spandau und Umgebung trat 1928 dem Marineverein Spandau bei. Es ist zu vermuten, dass die heute noch existierende Marinekameradschaft Berlin 1886 (e.V.) die dem Spandauer Marineverein übergeordnete Organisation darstellte.

Anstecknadel des Vereins ehemaliger Kameraden der Kaiserlichen Marine Spandau
Anstecknadel des Vereins ehemaliger Kameraden der Kaiserlichen Marine Spandau
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Glückwunschtelegramm an Otto von Bismarck mit Antwortschreiben, März/April 1885
Glückwunschtelegramm an Otto von Bismarck mit Antwortschreiben, März/April 1885
Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Mit diesem in Reimform verfassten Telegramm gratulierte der „Angra-Pequena-Klub“ (portugiesisch für Lüderitzbucht, die in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika lag) Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) zu seinem 70. Geburtstag, der sich dafür bei dem Klub bedankte. Derzeit liegen keine Informationen über den Klub oder dessen Mitglieder vor. Es ist allerdings zu vermuten, dass Mitglieder des Vereins der Spandauer Garnison angehörten.

Der Reisepass des Majors von Glasenapp dokumentiert dessen Reise im Sommer 1901 von der im Nordosten Chinas gelegenen Hafenstadt Tientsin (Tianjin) über Sibirien und Russland nach Deutschland. Von Glasenapp war sowohl am sogenannten „Boxeraufstand“ in China als auch an der Niederschlagung des Herero-Aufstandes in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1904 beteiligt. 1914 war er Kommandeur der sogenannten „Schutztruppen“ im Reichskolonialamt.

Militär-Reise-Pass des Major Franz Georg von Glasenapp vom Generalstab der 3. Ostasiatischen Infanterie Brigade
Militär-Reise-Pass des Major Franz Georg von Glasenapp vom Generalstab der 3. Ostasiatischen Infanterie Brigade
Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau