Tonband, Pressestelle Spandau, 1982

 

Spandau, die Großstadt an Havel und Spree, ist einer der größten Verwaltungsbezirke Westberlins. Über 200.000 Menschen leben, wohnen und arbeiten in diesem weitläufigen Bezirk. Zentrum und Lebensnerv dieses lebendigen Gemeinwesens ist seit eh und je die Altstadt. Am Zusammenfluss von Spree und Havel gelegen, in Form eines regelmäßigen Ovals angelegt, zeigt sie die typische Form einer Ostdeutschen Stadtanlage. Markante Punkte beherrschen das Bild der Spandauer Altstadt. Die über 500 Jahre alte Nikolaikirche – der Markt – das Rathaus, und die Reste der alten Stadtmauer. Obwohl über die Jahrhunderte viel zerstört wurde – der zweite Weltkrieg machte auch vor den Toren Spandaus nicht halt – hat die Altstadt auch nach 750 Jahren nichts von ihrer Ausstrahlung und ihrer Eigenständigkeit verloren.

Im März 1982 feiern die Spandauer ein großes Ereignis: 750 Jahre Spandau. 750 Jahre Bezirksgeschichte. Wahrlich eine lange Zeit. Wie war das eigentlich vor 750 Jahren? Vielleicht hilft ein Blick zurück, diese Frage zu beantworten.

Die Geschichte Spandaus als Stadt begann im Jahre 1232, als dem jungen Gemeinwesen, damals noch Spandow genannt, von den Askaniern die Stadtrechte verliehen wurden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Spandau damit fünf Jahre älter ist als das benachbarte Berlin. Mit Recht sind die Spandauer stolz auf diese fünf Jahre und sie versäumen es nicht, bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen.

Anno 1240 wurde der Ort Behnitz dem Stadtgebiet einverleibt. Der Behnitz war eine Halbinsel die auf zwei Seiten von der Havel, auf der dritten von dem Kolke, einer Ausbuchtung der Havel, eingeschlossen war. Heute kennen wir diesen Ortsteil unter dem Namen Kolk.

Bereits im Jahre 1282 schufen sich die Spandauer ein eigenes Stadtwappen. Im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert fand es dann 1957 seine heutige Form.

Ende des 12. Jahrhunderts gab es in der Fischreichen Gegend am Zusammenfluss von Spree und Havel eine Burg, die allgemein als Schloss bezeichnet wurde. Dieses Schloss Spandow lag genau an der Stelle wo sich die heutige Zitadelle befindet.

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts sicherte eine Holzpalisade mit vorgelegtem Wassergraben Spandau. Mit dem Bau einer massiven Stadtmauer aus Feld und Backsteinen wurde ab 1319 begonnen. Um den Bürgern den Bau zu erleichtern befreite Herzog Rudolf von Sachsen sie von allen Abgaben und Diensten für die Zeit, die der Bau erfordern würde. Überreste der alten Stadtmauer sind noch gegenüber dem Rathaus, wo die Kinkelstraße am Viktoriaufer auf den Mühlengraben stößt, zu entdecken. Nur wenige Minuten vom Zentrum der Altstadt gelegen, ragt am Hohen Steinweg ein weiteres Bruchstück der alten Stadtmauer empor. Diese Stück der ehemaligen Befestigungsmauer ist sogar in seiner ursprünglichen Höhe von sechs Metern erhalten und lässt etwas von den einstigen Dimensionen erahnen.

Mit der Verleihung der Stadtrechte am 7. März 1232 ging die Verwaltung vom markgräflichen Vogt in die Hände der Bürgerschaft über. Die Verwaltungsarbeit lag nun in der Hand eines aus zwölf Mitgliedern bestehenden Rates, der seinen Sitz im Rathaus hatte. Von diesem Rathaus erzählt die Geschichte erstmals im Jahre 1434. Der Rat der Stadt ließ das alte Kaufhaus am Markt teilweise abbrechen und zu einem neuen Rathaus umbauen. 1730 wurde dann ein Neubau errichtet, den man im Jahre 1817 wieder abriss.

Das 1818 erbaute neue Rathaus musste 1877 – auch damals litt man schon unter Raummangel – aufgestockt werden. 1913 fand hier die letzte Stadtverordnetenversammlung statt. Der Grundstein für das heutige Rathaus wurde am 3. April 1911 gelegt. Nach nur 2,5-jähriger Bauzeit konnte der damalige Oberbürgermeister Kölze im Rahmen einer Feierstunde am 15. September 1913 den Neubau seiner Bestimmung übergeben. Bis zum heutigen Tage ist dieses Rathaus Sitz der Bezirksverwaltung geblieben.

Im Zentrum der Spandauer Altstadt steht der wuchtige Bau der St.-Nikolai-Kirche. Wann diese gotische Hallenkirche erbaut wurden ist, ob im Laufe des 14. Jahrhunderts oder erst in der ersten Hälfte des 15.Jahrhunderts, darüber fehlt jeder urkundliche Nachweis. In seiner Chronik weist der ehemalige Pastor und Inspekteur der St.-Nikolai-Kirche Daniel Friedrich Schulze zu berichten, dass offenbar als Abschluss des Kirchenbaus in den Jahren 1467/68 ein schöner und hoher Turm erbauet wurde. Heute ist die ehrwürdige St.-Nikolai-Kirche eines der historisch bedeutsamsten Gotteshäuser Berlins.

Im inneren dieser gotischen Hallenkirche gilt der bronzene Taufkessel als das älteste Kunstwerk. Von einem unbekannten Meister gegossen, trägt er das Datum des Jahres 1398. Ein Standbild des Kurfürsten Joachim II. vor der St.-Nikolai-Kirche erinnert daran, dass sich im Jahre 1539 die Bewohner Spandaus zur Reformation bekannten. Damit folgten sie dem Glauben ihres Landesherren, der, so berichten die Annalen, am 1. November 1539 in der Nikolaikirche das Abendmahl in beiderlei Gestalt genommen und damit in aller Form zur Reformation übergetreten war.

Um 1560 wurde auf Spandauer Boden mit dem Bau einer der mächtigsten Befestigungsanlagen, der Zitadelle, begonnen. Nach Plänen des italienischen Baumeisters Franziskus [Francesco] Chiaramella de Gandino arbeiteten damals 200 italienische Facharbeiter, also die ersten Gastarbeiter auf Spandauer Territorium, an dem Festungsbau. Da die Bauarbeiten nach 15-jähriger Bauzeit immer noch nicht beendet waren, entließ der damalige Landesherr Kurfürst Johann Georg den Baumeister. Dessen Nachfolger wurde Graf Rochus zu Lynar – seiner kurfürstlichen Gnaden bestellter General obrister Artollerei- [oberster Artillerie-], Munition-, Zeug- und Baumeister. Durch strenge Festungsartikel sorgte Lynar für Arbeitsdisziplin bei den Bauleuten. Der Bau ging zügig voran und konnte etwa 1594 als vollendet angesehen werden.

Die Jahrhunderte sind an der Zitadelle nicht spurlos vorbeigegangen. Um dieses geschichtsträchtige Festungswerk der Nachwelt zu erhalten, sind seit vielen Jahren schon, und auch noch heute, umfangreiche Restaurierungsarbeiten notwendig. Die wiederhergestellten Teile der Zitadelle bieten den Besuchern viele Möglichkeiten, etwas über die Geschichte Spandaus zu erfahren. In der Galerie der Spandauer Zitadelle werden ständig wechselnde Ausstellungen bedeutender Künstler gezeigt.

Zur Zeit der Napoleonischen Kriege mussten die Spandauer auch die Erfahrung der Besetzung ihrer Stadt durch französische Truppen machen. Am 24. Oktober 1806 erreichten französische Heeresverbände Berlin und erschienen nun auch vor Spandau. Nach dreimaliger Aufforderung die Zitadelle zu übergeben kapitulierte der Festungskommandant vor den Franzosen. Am 26. Oktober 1806 erschien Napoleon in Spandau, um die Zitadelle und die Befestigungsanlagen zu besichtigen.

Der Juliusturm, heute ein Wahrzeichen Spandaus und wohl die populärste Sehenswürdigkeit der Stadt, war schon immer ein sagenumwittertes Gemäuer. Die Drohung „Du kommst in den Juliusturm“ genügte schon, um die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Ein Sagenhafter Goldschatz wurde nach Beendigung des Krieges von 1870/71 hinter den etwa drei Meter dicken Mauern des Turmes eingelagert. Aus der französischen Kriegsentschädigung in Höhe von fünf Milliarden Mark, wurden im Juli 1874 120 Millionen Mark in gemünztem Gold im Turm deponiert.

Einen großen Sprung in das Industriezeitalter machte Spandau im Jahre 1897. Die Gründer der späteren Siemenswerke, Werner Siemens und Johann Georg Halske, mussten sich, da sie ihr sich ständig ausdehnendes Unternehmen weder in Berlin noch in Charlottenburg erweitern konnten, nach neuen Standorten umsehen. Sie erwarben ein völlig unerschlossenes Gelände an der Jungfernheide, zwischen Nonnendamm und der Spree, das zu Spandau gehörte. Die Stadt Spandau, die den Wert dieser Industrieansiedlung richtig einschätzte, förderte das Vorhaben nach Kräften. Als erstes errichteten Siemens und Halske hier ein neues Kabelwerk, das schon am 1. August 1899 in Betrieb genommen wurde. Diesem Neubau folgten in kurzer Zeit weitere Produktionsstätten. Anfang 1913 wurde in der Nonnendammallee mit dem Bau des Verwaltungsgebäudes begonnen. Heute arbeiten bei dem Siemenswerken rund 27.000 Beschäftigte. In den modernen Fabrikationsstätten werden hochwertige Elektrogeräte und Industrieanlagen produziert und in alle Welt exportiert.

Fast als ein Kuriosum in der neueren Geschichte, muss man die Ausgabe eines Kriegsnotgeldes im Jahre 1917 sehen. Bedingt durch die enormen Rüstungsanstrengungen im Ersten Weltkrieg, waren Metalle zur Münzprägung kaum noch vorhanden. Andererseits wusste man kaum noch, wie man dem chronischen Kleingeldmangel begegnen sollte. Am 5. April 1917 beschloss deshalb der Magistrat der Stadt Spandau die Ausgabe von Kriegsnotgeld. In Umlauf kamen 50 Pfennig Geldscheine mit einer Gültigkeitsdauer bis September 1917.

Ein Jahr vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten konnten die Spandauer das 700-jährige Bestehen ihrer Stadt feiern. Wenn man in der Sonderausgabe der Spandauer Zeitung vom 5.März 1932 blättert, fällt der Festbeitrag des damaligen Bezirksbürgermeisters Martin Stritte auf. Er schrieb dort u.a.: „Zunächst mal ein hoher Stolz darauf, dass unser Spandau 700 Jahre Stadt ist. Das bedeutet 700 Jahre Stadtgeschichte, die von anderer Seite ihre Würdigung gefunden hat und finden wird. Ich will nur auf das eine hinweisen: dass Spandau von den Großberliner Gemeinden wahrscheinlich die älteste Siedlung überhaupt und bestimmt die älteste Stadt ist.“

Wie feierte man nun damals dieses Großereignis? Ein über den Krieg geretteter kurzer Filmstreifen aus dem Jubiläumsjahr vermittelt einen kleinen Einblick vom Verlauf dieser Feierlichkeiten.

Ein nicht zu übersehendes Ereignis waren auch die Spandauer Heimatwochen, die in der Zeit des Dritten Reiches mit entsprechendem Pomp und zeremoniell gefeiert wurden. Beim sogenannten Feldgottesdienst auf der Zitadelle, an dem auch die Kriegsveteranen teilnahmen, passte der militärischen Aufmarsch mit Fahnen und Standarten so recht in das Bild der damaligen Machthaber. Selbstverständlich mussten auch die Schulkinder beim Tag der Schulen in Reih und Glied durch die Straßen der Altstadt marschieren.

Die Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges, mit ihren Schrecken und furchtbaren Zerstörungen, bekamen auch die Spandauer zu spüren. Die schweren Angriffe, besonders in den Jahren 1944 und 1945, verwüsteten die Altstadt, aber auch viele Industriegebiete. Brandbomben setzten den Turm der Nikolaikirche in Flammen. Not, Elend und Zerstörungen waren die Folgen dieses mörderischen Bombardements. Trotz sinnloser Durchhalteparolen Adolf Hitlers, war der Untergang nicht mehr aufzuhalten. Im April 1945 überschritten sowjetische Truppen die Oder. Berlin wurde von ihnen völlig eingeschlossen. Heftige Gefechte tobten auch in der Spandauer Altstadt. Der Zusammenbruch kam am 27. April 1945. Die rote Armee besetzte auch Spandau. Ein tragisches Kapitel der deutschen Geschichte war beendet.

Nachdem sich die Siegermächte UDSSR, USA, Großbritannien und Frankreich über die Aufteilung Berlins in vier Sektoren geeinigt hatten, kam der Bezirk Spandau im Juli 1945 unter britische Verwaltung.

Um die Verwüstungen und Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges zu beseitigen, gingen die Menschen mit dem Mut der Verzweiflung an die Aufräumungsarbeiten. Die Männer waren entweder gefallen, vermisst oder in Gefangenschaft. Frauen mussten nun die Arbeit übernehmen. Die legendären Trümmerfrauen schufteten meist nur mit Schaufel und Hacke ausgerüstet, um den Trümmerschutt zu beseitigen und Platz für den Wiederaufbau zu schaffen. Mit der Georg-Ramin-Siedlung an der Seegefelder Straße wurde die erste große Neubausiedlung in Spandau nach dem Kriege errichtet.

Eines der größten Neubaugebiete Westberlins ist das, zwischen Zeppelinstraße, Pionierstraße, der DDR-Grenze und den Spektewiesen gelegene Falkenhagener Feld. Der Grundstein für diese im sozialen Wohnungsbau errichtete Großsiedlung wurde im März 1962 gelegt.

Auf ehemals landwirtschaftlich genutztem Gelände entstand seit 1968 an der Heerstraße, unweit des Grenzüberganges Staaken, die Großsiedlung Heerstraße Nord, die Rudolf-Wissell-Siedlung. Nach Fertigstellung dieses Bauvorhabens sind im Bezirk Spandau seit Kriegsende mehr als 60.000 Neubauwohnungen entstanden.

In Spandau steht noch ein Bauwerk, das der alten Havelstadt internationalen Ruf verschafft hat. Das ehemalige Festungsgefängnis in der Wilhelmstraße. Aufgrund seiner isolierten Lage und geringen Größe wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg als Gefängnis für die sieben in Nürnberg als Hauptkriegsverbrecher verurteilten, führenden Männer des Dritten Reiches hergerichtet. Das sogenannte Kriegsverbrechergefängnis ist durch den hier eine lebenslange Haft verbüßenden ehemaligen Führerstellvertreter Rudolf Heß, eine der letzten durch die vier ehemaligen Siegermächte kontrollierten Einrichtungen der Nachkriegsjahre.

Im März 1957 war wieder ein Markstein in der Spandauer Geschichte. Die alte Havelstadt kann auf ihr 725-jähriges Bestehen zurückblicken. Als besonderes Geschenk zur 725-Jahr-Feier erhält der Bezirk ein neues Wappen. Der damalige Senator für Inneres, Joachim Lipschitz, überreichte in der festlichen Bezirksverordnetensitzung am 6. März 1957 dem Bezirk das neue Wappen. Die Bürger Spandaus feierten ihr Jubiläum mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, aber auch die benachbarten Berliner zogen in Scharen nach Spandau um an den Feierlichkeiten teilzunehmen.

Mit der Enthüllung einer Plastik wurde am 11.11.1960 um 11.11 Uhr der Falkenseer Platz für die so genannte Durchbruchstraße, heute der Falkenseer Damm, dem Verkehr übergeben. Fast drei Jahre waren vergangen seit dem ersten Spatenstich für diesen großzügigen Straßenbau rund um die Spandauer Altstadt. Mit der Übergabe des Falkenseer Platzes ging für die Kraftfahrer die närrische Zeit der Umleitungen in diesem Teil der Stadt zu ende.

Mit der Abriegelung Ostberlins durch die Pankower Machthaber am 13. August 1961 begann ein düsteres Kapitel der Nachkriegszeit in Berlin. Der Bau der Mauer trennte schlagartig die Menschen in Ost und West. Diese unmenschliche Grenze zieht sich quer durch die Stadt.